Dienstreisende, die viel mit dem Auto unterwegs sind, bekommen meist direkt die Auswirkungen eines schweren Verkehrsunfalls zu spüren. Häufig entstehen lange Staus und eine Rettungsgasse muss gebildet werden, damit Einsatzkräfte schnell zum Unfallort gelangen. Neben Blockaden der Rettungsgasse sind es vor allem auch Gaffer, die die Arbeit der Helfer vor Ort erschweren können. Wir zeigen, warum das Fotografieren oder Filmen von Unfällen so gefährlich ist, welche Strafen fürs Gaffen drohen und wie die aktuelle Gesetzeslage ist.
Faszination Schaulust
Schau- und Sensationslust gibt es beim Menschen schon immer. Ähnlich wie der Überlebensdrang oder die Nahrungssuche ist es ein angeborenes, natürliches Verhalten. Menschen beobachten aus Neugier und scannen ihre Umgebung nach bedrohlichen Situationen ab. Besonders stark reagieren sie auf emotionale Ereignisse. Dies muss nicht zwangsläufig negativ sein. Filme, Konzerte oder Events wie zum Beispiel Boxkämpfe, machen sich die Sensationslust der Menschen zunutze. Bereits die Brüder Lumière „spielten“ mit der Neugier der Menschen, als sie 1895 ihren Film „Einfahrt eines Zuges in den Bahnhof“, der häufig als der erste Film überhaupt gilt, vorführten. Allerdings gibt es Situationen, in denen Schau- oder Sensationslust moralisch verwerflich ist. Diese beginnen, wenn aufgrund von Neugier andere Menschenleben gefährdet werden, wenn Rettungs- und Einsatzkräfte behindert werden und wenn man stattdessen keine Hilfe leistet. Viele Gaffer beobachten lieber anstatt zu helfen. Die Beweggründe sind sicherlich unterschiedlich: Vielleicht haben manche Angst, etwas falsch zu machen?
Gaffen: Gefährliche Neugier
Im Jahr 2018 gab es auf deutschen Straßen fast 400.000 Verletzte, rund 65.000 davon waren sogar schwer verletzt. Etwa 3.000 Personen verloren zudem bei Unfällen ihr Leben. Zwar nehmen die Zahlen seit ein paar Jahren leicht ab, Rettungskräfte könnten jedoch vermutlich noch mehr Menschenleben retten, wenn sie bei ihrer Arbeit nicht durch herumstehende Gaffer behindert würden. Oftmals zählt für die Einsatzkräfte jede Sekunde, weil beispielsweise Wiederbelebungsmaßnahmen durchgeführt werden müssen. Da ist der schnelle und freie Zugang zu den Unfallopfern unerlässlich. Besonders pietätlos wird es, wenn Schaulustige das Geschehen fotografieren oder auf Video aufnehmen. Dann werden nicht nur andere Menschenleben gefährdet, sondern unter Umständen auch die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Personen verletzt. Hinzu kommt, dass sich Gaffer selbst in Gefahr bringen, wenn sie Unfallstellen blockieren.
Sensible Strafen und Bußgelder
Offenbar ließen sich viele Schaulustige nicht durch die drohenden Bußgelder und Strafen beirren, weshalb die Bundesregierung 2018 die Strafen fürs Gaffen im Straßenverkehr angehoben hat. Neben einer hohen Geldbuße drohte Tätern auch eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren.
In Paragraf 201a, Absatz 1 des Strafgesetzbuches (StGB) heißt es unter anderem:
„Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Bildaufnahme, die die Hilflosigkeit einer anderen Person zur Schau stellt, unbefugt herstellt oder überträgt und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt, …“
Die Höhe der Bußgelder richtet sich nach dem jeweiligen Vergehen. Sie variiert zwischen 20 und 1.000 Euro.
Doch hielten Bußgelder und Strafen Gaffer nicht davon ab, Fotos und Videos von Verstorbenen am Unfallort zu machen. Was zwar gegen jedweden menschlichen Anstand ist, ist doch straffrei. Bislang, denn: Seit Juli 2020 ist nun auch das Fotografieren von toten Unfallopfern strafbar: „Den Angehörigen müssen wir das zusätzliche Leid ersparen, dass Bilder ihrer verstorbenen Eltern oder Kinder auch noch verbreitet werden“, so Christine Lambrecht, Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz.
Verstoß |
Strafe |
Behinderung der Rettungskräfte durch Befahren des Seitenstreifens auf der Autobahn | Bußgeld von 20 Euro |
Behinderung der Rettungskräfte durch Parken auf dem Seitenstreifen der Autobahn | Bußgeld von 25 Euro |
"Gaffen" im Sinne einer Ordnungswidrigkeit | Bußgelder zwischen 20 und 1.000 Euro |
Unterlassene Hilfeleistung | Straftat: Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder Geldstrafe |
Fotos oder Filme von einem Unfall erstellen | Straftat: Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe |
Fotos oder Filme von Unfalltoten anfertigen | Straftat: Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe |
An der Unfallstelle selbst können Einsatzkräfte zudem einen Platzverweis für Schaulustige aussprechen. Politiker fordern darüber hinaus, dass die Handys und Fotoapparate beschlagnahmt werden. Das soll andere Verkehrsteilnehmer zusätzlich vom Gaffen abhalten.
Werden Sie nicht zum Gaffer!
Wenn Sie Zeuge eines Unfalls werden, sind Sie nicht nur moralisch zur Hilfe verpflichtet. Unterlassene Hilfeleistung kann ebenfalls Bußgelder, eine Freiheitsstrafe und Punkte im Verkehrszentralregister nach sich ziehen. Warten Sie, bis die Rettungskräfte eintreffen. Sichern Sie in der Zeit die Unfallstelle ab, wählen Sie den Notruf und leisten Sie Hilfe, so gut Sie können. Treffen die Einsatzkräfte ein, hören Sie auf deren Anweisungen. Wenn nicht anders gefordert, entfernen Sie sich unverzüglich von der Unfallstelle und warten Sie in sicherer Distanz, bis die Polizei Sie vernommen hat.