Müssen Mitarbeiter, die vom Arbeitgeber dienstlich ein Motorrad, einen E-Roller, ein E-Bike, Pedelec, S-Pedelec oder ein Fahrrad gestellt bekommen, im Umgang damit unterwiesen werden? Wie verhält es sich, wenn auch die private Nutzung der Fortbewegungsmittel gestattet ist? Ist in diesem Fall auch betrieblich in Bezug auf die Gefahren bei der Benutzung dieser Fahrzeugtypen einzugehen? Wir beantworten diese und weitere Fragen rund um die Fahrerunterweisung bei Zweiradfahrern.
Grundsätzlich gilt: Aber selbstverständlich! Das ergibt sich aus dem Arbeitsschutzgesetz, der Betriebssicherheitsverordnung und den Vorschriften der DGUV.
Auf einen Blick:
Wird ein Zweirad, egal welcher Art, für betriebliche Zwecke eingesetzt, ist eine Unterweisung des Mitarbeiters erforderlich. Das regelt die DGUV Vorschrift 1. Ist das Zweirad vollkommen neu für den Mitarbeiter, muss vor der ersten Benutzung im Rahmen einer Ersteinweisung auf die Besonderheiten des Vehikels eingegangen werden. Die anschließende Unterweisung ist jährlich durchzuführen und beinhaltet beispielsweise Informationen über zweiradspezifische Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen, Gefahrenzeichen, Vorschriftszeichen und Richtzeichen. Aber auch das allgemeine Verhalten mit dem Zweirad im Straßenverkehr wird im Rahmen der Unterweisung vermittelt.
Für Fahrräder, E-Bikes und Pedelecs besteht derzeit keine Helmpflicht. Für dienstliche Fahrten mit dem Zweirad kann der Arbeitgeber jedoch eine Helmpflicht anordnen.
Die Unterweisung ist auch beim Zweirad ein Muss
Unabhängig von der Art des Zweirads und der Antriebsart (reine Muskelkraft, elektrische Tretunterstützung, elektrischer Antriebsmotor oder Verbrennungsmotor) ist eine Unterweisung des Arbeitnehmers bereits nach DGUV Vorschrift 1 durchzuführen. Voraussetzung ist, dass das Zweirad für Dienstfahrten, also betrieblich veranlasste Fahrten, eingesetzt wird.
Nur nebenbei bemerkt: Wegefahrten von zuhause ins Büro und zurück sind – nicht nur steuerrechtlich – privater Natur und stellen keine dienstliche Fahrt dar. Dies ist auch vollkommen unabhängig von der Frage, ob für das betreffende Fahrzeug eine UVV-Prüfung nach der DGUV Vorschrift 70 durchzuführen ist. Dies betrifft nur das Fahrzeug und dessen Verkehrssicherheit, nicht aber den Fahrer.
Letzterer steht wiederum bei der Fahrerunterweisung im Zentrum der Betrachtung. Gemeint ist der mit einem – ggf. motorisierten – Zweirad ausgestattete Kurierfahrer (inkl. Fahrradkurier), Pizzabote, Medikamentenkurier, Mitarbeiter des Ordnungsamtes im Außendienst usw. Der Arbeitgeber bzw. Dienstherr muss sich aus Gründen der Fürsorge darum kümmern, dass der Fahrer körperlich und technisch dazu in der Lage ist, sein zweirädriges Fahrzeug zu bedienen und verkehrssicher zu beherrschen. Bei Motorrädern und E-Rollern wird dies ersichtlich aufgrund des je nach Ausstattung ganz unterschiedlichen Fahrzeuggewichts und -schwerpunkts, verschiedener Bereifung und unterschiedlicher Lenkertypen, -winkel und Lenkradien.
Ist ein Fahrzeugtyp für den Mitarbeiter eine „neue“ Technologie, sprich ist er mit dem Fahrzeugtyp noch nicht hinreichend vertraut, muss er im Rahmen einer Ersteinweisung mit dem Fahrzeugtyp und seinen Eigenheiten vertraut gemacht werden. Alles Weitere muss durch regelmäßig wiederkehrende Fahrerunterweisungen abgedeckt werden.
Wie gefährdet sind Zweiradfahrer? Ein Blick auf die Statistik
Noch vor der Fahrerunterweisung steht die Erstellung bzw. Anpassung der Gefährdungsbeurteilung im Fuhrpark für (motorisierte) Zweiräder. Deren Ergebnisse fließen als Inhalte in die Fahrerunterweisung mit ein. Aber was gehört dort hinein? Hilfreich ist der Blick auf die Unfallstatistik und die Unfallursachen.
Das Statistische Bundesamt hat 2020 die Unfallstatistik zu Kraftrad- und Fahrradunfällen im Straßenverkehr 2019 veröffentlicht. Danach verunglückten im Jahr 2019 insgesamt 129.207 Kraftrad- und Fahrradnutzer, davon 1.050 tödlich. Damit waren 33,4 Prozent aller Verunglückten und 34,5 Prozent aller Verkehrstoten im Straßenverkehr Benutzer von Kraft- bzw. Fahrrädern. Die Unfallstatistik offenbart, dass erstens das Verletzungsrisiko auf Krafträdern insgesamt größer ist als im Auto und zweitens die Unfallfolgen für Nutzer von Krafträdern im Vergleich zu Pkw-Insassen schwerwiegender sind.
Dies liegt u. a. daran, dass Kraftradfahrer bei einem Unfall – trotz Schutzbekleidung und Helm – nahezu ungeschützt sind. Die Unfallstatistik hat dabei die Vermutung bestätigt, dass Kraftradfahren „gefährlich“ ist. Allerdings hat diese Gefahr in den letzten Jahren statistisch gesehen nicht unbedingt zugenommen.
Die Verkehrsteilnahme und damit auch die Unfallhäufigkeit von Kraftrad- und Fahrradfahrern sind dabei auch abhängig von saisonalen Einflussfaktoren. Schlechte Straßen- und Witterungsverhältnisse, wie sie im Winterhalbjahr oft vorliegen, halten viele in dieser Jahreszeit von den Straßen fern. Sie sind dann im Sommerhalbjahr bei schönerem Wetter umso häufiger unterwegs. Der Statistikbericht offenbart außerdem, dass junge Kraftradfahrer besonders gefährdet, Pkw der häufigste Unfallgegner und nicht angepasste Geschwindigkeit das häufigste Fehlverhalten sind (Quelle: Destatis (2020): Kraftrad- und Fahrradunfälle im Straßenverkehr 2019).
Aus Fehlern anderer lernen? Ansatzpunkte für eine Unterweisung
Noch längst nicht jeder, der seit Kindertagen Fahrrad fahren kann, kann auch „problemlos“ einfach so auf ein E-Bike oder Pedelec umsteigen. In vielen Fällen ist aber nicht die mangelnde Beherrschung des Zweirads unfallträchtig, sondern vielmehr die mangelnde Einhaltung von Verkehrsregeln. Was das Fehlverhalten angeht, wurde statistisch gesehen in 22,2 Prozent der Fälle „nicht angepasste Geschwindigkeit“ als Ursache festgehalten. Dies betrifft Unfälle mit Personenschaden und beteiligte Fahrer von Krafträdern mit amtlichem Kennzeichen. Auch bei den Fahrern von Kleinkrafträdern war bei 12,6 Prozent aller Unfallbeteiligten das häufigste Fehlverhalten eine „nicht angepasste Geschwindigkeit“. Radfahrern wurde als Fehlverhalten hauptsächlich eine „falsche Straßenbenutzung“ (11,8 Prozent der Unfallbeteiligten) vorgeworfen. Diese Aspekte von allgemeinen Unfallursachen können wiederum hilfreiche Ansatzpunkte für eine sinnvolle Fahrerunterweisung bieten.
Achtung Fahrerlaubnisklasse AM
Nach Paragraf 6 der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) gehören zur Fahrerlaubnisklasse AM u .a. leichte zweirädrige Kraftfahrzeuge
- mit einer durch die Bauart bestimmten Höchstgeschwindigkeit von nicht mehr als 45 km/h,
- einer Nenndauerleistung/Nutzleistung von nicht mehr als 4 kW,
- einem Verbrennungsmotor mit einem Hubraum von nicht mehr als 50 cm³ oder einer anderen Antriebsform.
Die Fahrerlaubnis der Klasse AM kann separat ab 16 Jahren erworben werden. Jedoch gibt es auch andere Wege, um in den Besitz der Fahrerlaubnis Klasse AM zu gelangen: Autofahrer mit einem Führerschein der Klasse B dürfen „automatisch“ auch Kleinkrafträder, z. B. bestimmte Roller und Mopeds, der Klasse AM fahren – und zwar ohne eine vorherige eigenständige theoretische und praktische Zweiradprüfung. Die Fahrzeugklasse AM ist im Autoführerschein der Klasse B miteingeschlossen. In diese Fahrzeugkategorie fallen motorisierte Zweiräder wie Mopeds und Roller mit maximal 50 Kubikzentimetern Hubraum; diese dürfen nicht schneller als 45 km/h fahren. Fuhrparkleiter müssen dies bei der Unterweisung von Zweiradfahrern im Auge haben: Es ist durchaus möglich, dass Mitarbeiter zwar im Besitz der erforderlichen Fahrerlaubnis (Klasse B) sind, aber noch nie zuvor ein Fahrzeug der Klasse AM bedient haben, nunmehr aber damit ausgestattet werden sollen.
Inhalt einer Zweirad-Unterweisung
Je schneller ein (motorisiertes) Zweirad beschleunigen kann, umso sicherer muss der Fahrer sein Fahrzeug beherrschen können. Doch nicht nur das Fahren und Beschleunigen auf verschiedenen Fahrbahnuntergründen und Witterungsverhältnissen an sich kann eine Herausforderung darstellen. Bereits das simple Anhalten zum Rechts- oder Linksabbiegen beinhaltet das Risiko, mit seinem Zweirad umzukippen; das ist vor allem bei einem motorisierten Zweirad schneller passiert, als man denkt. Hier spielt auch die Körpergröße des Fahrers im Verhältnis zur Fahrzeughöhe und die Schwerpunktverteilung eine Rolle, weil der Zweiradfahrer sich nämlich im Stand sicher mit seinem gesamten Fuß stabil abstützen können sollte – also nicht lediglich mit den Zehenspitzen.
Auch das Anfahren am Berg ist mit einem Motorrad eine gewisse Koordinationsaufgabe, nicht nur für Linkshänder, die den Gashebel mit rechts und die Kupplung mit Links bedienen müssen. Fahrtechnik und Fahrphysik haben gerade bei Zweirädern wie Motorrädern oder Rollern eine entscheidende Bedeutung. Nicht ohne Grund beinhalten deshalb auch Lehrbücher für die Führerscheinausbildung auf Motorrädern entsprechende Kapitel zu den Besonderheiten dieses Fahrzeugtyps.
Sehr wichtig ist auch die Kenntnis zweiradspezifischer Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen, z. B. von zweiradbezogenen Gefahrenzeichen, Vorschriftzeichen und Richtzeichen:
Gefahrenzeichen | Zeichen | Hinweis |
Arbeitsstellen | Rutschgefahren durch Fahrbahnverunreinigungen | |
Doppelkurven |
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Das ist kein Hinweisschild für Biker mit Spaß am Kurvenfahren. Wenn mit diesem Gefahrenzeichen auf eine Kurvenstrecke extra hingewiesen wird, sind diese Kurven „nicht ohne“. Die Warnung sollte Ernst genommen und die Fahrlinie mit Sicherheitsreserve angepasst werden. |
Gefälle und Steigungen |
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In Gefälle und Steigung verlagert sich der Schwerpunkt des Zweirad. Bei Steigungen verlagert sich der Schwerpunkt auf das Hinterrad, weshalb das Vorderrad leichter wegrutschen kann. |
Schleuder- oder Rutschgefahr |
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Dies ist ein Hinweis auf Schleuder- oder Rutschgefahr - auch bei trockener Fahrbahn. |
Seitenwind |
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Es besteht die Gefahr, dass das Zweirad zur Seite weggedrückt wird. |
Split und Schotter |
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Neue oder ausgebesserte Fahrbahndecken werden mit Splitt abgestreut. Das Zeichen kann aber auch in Kurven und an Parkplatzausfahrten auf Splitt und Schotter hinweisen. Geschwindigkeit vorsichtig verringern und Fahrlinie beibehalten! |
unebene Fahrbahn |
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Geschwindigkeit verringern: Zu schnelles Fahren über Fahrbahnunebenheiten kann zu Fahrwerksunruhen führen. Fahrbahnunebenheiten können auch Schlaglöcher sein! |
Viehtrieb |
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Achtung: frei laufende Tiere sowie dadurch mögliche Fahrbahnverunreinigungen |
Wildwechsel |
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Selbst kleine Tiere wie Füchse, Fasane oder Hasen können für ein Zweirad zur Gefahr werden. |
Vorschriftzeichen | Zeichen | |
Verbot für Fahrzeuge aller Art | ||
Verbot für Krafträder | ||
Verbot für Kraftfahrzeuge |
Besonderheiten gelten aber auch für das Fahren unter erschwerten Bedingungen wie z. B.
- bei schlechten Witterungsverhältnissen wie Nässe, Regen und Kälte,
- bei schlechten Sichtverhältnissen wie Nebel und tiefstehender Sonne sowie
- das Fahren bei Dämmerung und Dunkelheit und
- das Fahren im Winter.
Auch das Fahren auf der Autobahn (soweit zulässig) und Kraftfahrstraßen verlangt im Hinblick auf das Einfahren und Einfädeln, das allgemeine Fahrverhalten beim Überholen, im Stau und bei Baustellen, Pannen sowie Unfällen besondere Kenntnisse im Umgang mit dem motorisierten Zweirad.
Letztendlich ist es empfehlenswert, dass derjenige, der länger nicht auf einem (motorisierten) Zweirad gesessen hat, im Zweifel eine Auffrischungsstunde in einer Fahrschule wahrnehmen sollte. Das gilt nicht nur für Wiedereinsteiger, sondern auch für Autofahrer, die mittels Klasse AM auf ein Zweirad umsteigen und ggf. auch für den Wiedereinstieg nach der Winterpause.
Schutzbekleidung nicht vergessen
Zweiradfahrer sind bei einem Unfall nahezu ungeschützt. Schutzbekleidung (Jacke, Hose und Handschuhe) mit entsprechenden Protektoren, passendes Schuhwerk (Motorradstiefel oder -stiefeletten) und ein Helm können hier mehr passive Sicherheit geben. Die nötige Schutzbekleidung sollte dann aber auch bei der Fahrt getragen werden.
Für Fahrräder, E-Bikes und Pedelecs (ohne Zulassung/Kennzeichen) besteht in Deutschland bislang noch keine Helmpflicht. Jedoch ist es wegen der erheblichen Gefahr von Kopfverletzungen anzuraten, auch bei diesen Zweirädern einen angemessenen Schutzhelm bzw. Fahrradhelm zu tragen.
Der Arbeitgeber kann das für dienstliche Fahrten aus Arbeitsschutzgründen vorschreiben. Im Einzelfall ist die Wahl der angemessenen Schutzbekleidung aber vom jeweiligen Zweiradtyp abhängig. Hier sollte man sich ggf. im Zweirad-/Motorrad-Zubehörfachhandel beraten lassen.