Elektronische Führerscheinkontrolle aus arbeitsrechtlicher Sicht

Darf der Führerschein im Rahmen der Führerscheinkontrolle dauerhaft mit einem RFID-Chip versehen werden oder muss eine händische Kontrolle ausreichend? Ein Mitarbeiter hatte vor dem Arbeitsgericht Wuppertal dagegen geklagt. Streitpunkt war auch, ob und wie der Betriebsrat in die Entscheidung mit einbezogen werden muss. Die Entscheidung des Gerichts im Überblick:

Topaktuelles Urteil: Urteil des Arbeitsgerichtes Wuppertal vom 10.11.2023, Az 4 Ca 11167/23

Auf einen Blick:

Die Parteien streiten über die einseitige Anordnung des Arbeitgebers die Führerscheinkontrolle mittels Anbringung eines RFID-Chips auf dem Führerschein der Mitarbeiter durchzuführen. Der klagende Arbeitnehmer sieht hier keine Verpflichtung seinerseits dies auf Anordnung dulden zu müssen. Seiner Auffassung nach stellt eine händische Kontrolle im Rahmen der Abwägung beiderseitiger Interessen grundsätzlich das mildere Mittel im Verhältnis zum Anbringen des Chips dar. Darüber hinaus hätte laut Arbeitnehmer der Betriebsrat hier eingeschaltet werden müssen.

Das Arbeitsgericht gab dem Arbeitgeber als Halter Recht! Diese Gründe waren entscheidend:

  • Der Arbeitgeber verfügt über ein Weisungsrecht
  • Die Führerscheinkontrolle ergibt sich aus einer gesetzlichen Verpflichtung heraus, die Art der Kontrolle liegt in der Entscheidung des Unternehmens.

1. Weisungsrecht des Arbeitgebers

In diesem Zusammenhang stellte das Gericht fest, dass der Arbeitgeber im Rahmen der Führerscheinkontrolle Gebrauch von seinem Weisungsrecht machen darf. Der Arbeitgeber darf demnach anordnen, dass der Führerschein des Mitarbeiters mit einem RFID-Chip versehen wird. Gemäß Paragraf 106 GewO kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen. Es sei denn, die Arbeitsbedingungen sind durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb.

Eine einzelvertragliche Regelung zwischen den Parteien oder eine Betriebsvereinbarung speziell für die Führerscheinkontrolle existiert im zugrundeliegenden Falle nicht.

Die Ausübung des Weisungsrechtes durch den beklagten Arbeitgeber muss jedoch billigem Ermessen entsprechen. Dies setzt voraus, dass die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt werden.

Verlangt wird hierbei eine „Abwägung der wechselseitigen Interessen nach den verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. Das gebietet eine Berücksichtigung und Verwertung der Interessen unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls. Hierzu gehören im Arbeitsrecht die Vorteile aus einer Regelung, die Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien, die beiderseitigen Bedürfnisse, außervertragliche Vor- und Nachteile, Vermögens- und Einkommensverhältnisse sowie soziale Lebensverhältnisse, wie familiäre Verpflichtungen und Unterhaltsverpflichtungen“ (BAG 28.08.2013, 10 AZR 569/12, zitiert nach juris).

Hierbei ist auch zu beachten, inwieweit die Weisung auf einer unternehmerischen Entscheidung beruht (BAG 13.06.2012 – 10 AZR 296/11 -, zitiert nach juris).

2. Führerscheinkontrolle = gesetzliche Halterpflicht, Art der Kontrolle unternehmerische Entscheidung

Das Gericht statuiert, dass hier zu berücksichtigen sei, dass auf Seiten des beklagten Arbeitgebers als Halter eine Führerscheinkontrolle als eine gesetzliche Verpflichtung durchzuführen ist. Durch die Einführung der elektronischen Führerscheinkontrolle via RFID-Chip nutzt die Halterin ein System, um nachzuweisen, dass der betreffende Fahrer eine gültige Fahrerlaubnis besitzt. Da der Chip nicht von dem Führerschein entfernt werden kann, ohne sich selbst zu zerstören, besteht für den Fahrer nur dann die Möglichkeit, ein Fahrzeug zu starten, wenn er seinen Führerschein vor die Log-Box oder die Schlüsselbox hält. Dadurch wird die Freigabe des Fahrzeugs erzeugt.

Damit entfällt für die Beklagte die Verpflichtung, die Führerscheinkontrolle in regelmäßigen Abständen, sei es vierwöchig oder halbjährig, durchzuführen.

Die Pflicht zur regelmäßigen Führerscheinkontrolle entfällt im vorliegenden Fall, da der Fahrer durch die Nutzung des Schlüsselschranks ohne gültige Fahrerlaubnis keinen Zugriff auf das Dienstfahrzeug hat. Ist kein Schlüsselschrank im Einsatz oder wird die Herausgabe des Fahrzeugs nicht auf andere Art und Weise kontrolliert, ist weiterhin eine regelmäßige Kontrolle des Führerscheins erforderlich.

Auch wenn der Klagende darauf verweist, dass es mittlerweile bessere Möglichkeiten der Führerscheinkontrolle gibt, obliegt die Wahl des Kontrollsystems der Arbeitgeberin. Solange sie sich im Rahmen ihrer gesetzlichen und vertraglichen Verpflichtungen bewegt, ist die unternehmerische Entscheidung ihr überlassen.

Zugunsten der beklagten Arbeitgeberin ist außerdem zu berücksichtigen, dass durch die Einführung der elektronischen Führerscheinkontrolle ein erheblicher Verwaltungs- und Schulungsaufwand vermieden wird. Die regelmäßige Kontrolle der Führerscheine einer Vielzahl von Mitarbeitern bedeutet einen erheblichen Personal- und Zeitaufwand.

3. Interesse des Mitarbeiters auf „labelfreien“ Führerschein überzeugt nicht

Auf der anderen Seite steht das Interesse des klagenden Mitarbeiters seinen Führerschein nicht durch das entsprechende Label zu verändern. Hierbei ist zunächst festzuhalten, dass der Chip die Lesbarkeit des Dokumentes nicht beeinträchtigt. Sanktionen gegen die Mitarbeiter aufgrund des Anbringens des RFID-Chips sind unter Umständen nicht auszuschließen. Die Befürchtung des Klägers, es könne bei einer Polizeikontrolle oder bei einer Fahrt ins Ausland zu Schwierigkeiten kommen, ist daher nicht völlig unbegründet. Allerdings besteht dann die Möglichkeit, den Chip rückstandslos und ohne Veränderung des Führerscheins von diesem zu entfernen und so der kontrollierenden Behörde das Original-Dokument ohne Veränderung vorzulegen. Auch ist zu berücksichtigen, dass es im Hinblick auf diese Befürchtungen bereits Anfragen im Landtag Baden-Württemberg gegeben hat. Diese wurden dahingehend beantwortet, dass beim Anbringen des Chips auf dem Führerschein keine Bedenken bestehen.

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Auf Seiten des Klägers sind somit keine Einschränkungen zu erkennen, die im Rahmen der Interessensabwägung zu einem überwiegenden Interesse des Klägers führen.

4. Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nicht verletzt

Für die Verletzung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats gibt es laut Gericht keinerlei Anhaltspunkte.

Ein Verstoß gegen Paragraf 87 Absatz 1 Nr. 1 BetrVG durch die Einführung der elektronischen Führerscheinkontrolle liegt nicht vor. Das „Wie“ der Führerscheinkontrolle wurde bereits im Rahmen der Betriebsvereinbarung über die Verpflichtung zur Nutzung der Fahrerkarte, die zum Freischalten der Fahrzeuge erforderlich ist, und der Nutzung des elektronischen Fahrtenbuchs geregelt.

Bei der Beklagten wurde auch in der Vergangenheit das System des RFID-Chips genutzt, in dem es auf der Fahrerkarte integriert war. Der Unterschied zur jetzigen Verwendung ist lediglich, dass der Chip nicht mehr auf einer separaten Fahrerkarte aufgebracht wird, sondern auf dem Führerschein des jeweiligen Arbeitnehmers. Das „Wie“ der Kontrolle zur Nutzung der Dienstfahrzeuge ist durch die Betriebsvereinbarung bereits geregelt. Das Anbringen des Chips auf dem Führerschein und die gleichzeitige Verwendung des Systems auch als Führerscheinkontrolle löst darüber hinaus kein gesondertes Mitbestimmungsrecht nach Paragraf 87 Absatz 1 Nr. 1 BetrVG aus.

Die Führerscheinkontrolle betrifft nicht das kollektivgeschützte Zusammenleben und Zusammenwirken der Arbeitnehmer untereinander, sondern findet ausschließlich im Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber statt.

Ebenso wenig liegt ein Verstoß im Hinblick auf die Mitbestimmung nach Paragraf 87 Absatz 1 Nr. 6 BetrVG vor. Die Betriebsvereinbarung „digitale Fahrtenbücher“ regelt im zugrundeliegenden Fall, welche Auswertungen über den RFID-Chip stattfinden. Durch den Führerschein und den darauf befindlichen Chip kann das Fahrzeug jeweils gestartet werden. Dadurch wird die gefahrene Strecke protokolliert. Darüberhinausgehende, technische Aufzeichnungen, die geeignet sind, das Verhalten oder die Leistung des Arbeitnehmers zu überwachen, sind nicht ersichtlich und auch vom Kläger nicht vorgetragen.

Außerdem ergibt sich aus der Betriebsvereinbarung welche Zugriffsberechtigungen die Nutzer, die Fahrzeugverantwortlichen und die Führungskraft haben. Die Verarbeitung der Daten darf darüber hinaus nur für die in der Unteranlage aufgeführten Zwecke erfolgen.

Das Ergebnis

Die Anordnungen der von der Beklagten beabsichtigten Maßnahme zur Anbringung des RFID-Chips ist damit im Verhältnis zum Kläger wirksam, da auch sämtliche Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates von der Beklagten beachtet wurden.

Fazit – Beteiligung des Betriebsrats bei der Führerscheinkontrolle, ja oder nein?

Das Problem „ob“ eine Führerscheinkontrolle durch den Arbeitgeber durchgeführt werden muss steht außer Frage. Dies ergibt sich bereits aus dem Gesetz. Nach § 21 StVG darf ein Halter – hier der Arbeitgeber – nur Personen in Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis fahren lassen. Hingegen die Frage „wie“ die Führerscheinkontrolle durchgeführt wird, ist Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung – sowohl aus individualrechtlichen wie kollektivrechtlichen Gesichtspunkten.

Das ArbG Wuppertal stellte aus individualrechtlicher Sicht fest, dass die einseitige Anordnung einer Führerscheinkontrolle von § 106 GewO gedeckt ist. Auch die inhaltliche Gestaltung mittels RFID-Chip verstößt nicht gegen die Verpflichtung des Arbeitgebers nach § 315 BGB das „wie“ der Kontrolle nach Abwägung der beiderseitigen Interessen festzulegen.

Kollektivrechtlich ist das „wie“ der Führerscheinkontrolle in allen Unternehmen mit Betriebsrat weiter dahingehend zu prüfen, ob die Art der Führerscheinkontrolle nach § 87 BetrVG mitbestimmungspflichtig ist.

Im vorliegenden Fall war eine Beteiligung nicht erforderlich, da die Daten, die bei der Führerscheinkontrolle erhoben wurden, bereits über eine bestehende Betriebsvereinbarung geregelt wurden. 



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