Die Einführung von Elektromobilität im Fuhrpark bringt einige Besonderheiten mit sich, die mit dem Aufladen der Elektrofahrzeuge und der Installation geeigneter Ladeinfrastruktur auf dem Betriebsgelände oder zu Hause beim Mitarbeiter zusammenhängen. Denn die Nutzung von Elektrofahrzeugen im Fuhrpark erfordert auch eine Überprüfung und Anpassung der Gefährdungsbeurteilung für den Fuhrpark und – darauf aufbauend – eine entsprechende Anpassung der Fahrerunterweisung der Dienstwagennutzer von Elektromobilen.
Auf einen Blick:
Nach geltenden Arbeitsschutzbestimmungen muss ein Unternehmen ermitteln, inwiefern die Einführung neuer Antriebssysteme wie Elektromobilität eine Veränderung betrieblicher Gegebenheiten darstellt mit der Folge, dass die Gefährdungsbeurteilung im Fuhrpark sowie Schutzmaßnahmen anzupassen sind.
Mögliche „neue“ Risiken bei Elektrofahrzeugen liegen beispielsweise bei den Hochvolt-Komponenten, dem Ladevorgang oder bei einem Unfall vor. Zusätzlich können Risiken bestehen durch den lautlosen Elektroantrieb des E-Autos.
Die Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung fließen auch in die jährliche Fahrerunterweisung nach UVV ein. Bei der Einführung von Elektrofahrzeugen sollten auch die Besonderheiten der E-Mobilität mit in die Fahrerunterweisung integriert werden. Es sollten nur „E-Mobil-unterwiesene“ Mitarbeiter mit Elektrofahrzeugen fahren.
Gefahr erkannt: Gefährdungsbeurteilung anpassen
An erster Stelle steht die Gefährdungsbeurteilung. Nach Paragraf 5 Abs. 2 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) und Paragraf 3 DGUV Vorschrift 1 hat der Unternehmer zu ermitteln, welche Schutzmaßnahmen erforderlich sind in Bezug auf die mit der Arbeit verbundenen Gefährdungen. Die Einführung neuer Antriebssysteme im Unternehmensfuhrpark ist eine Veränderung der betrieblichen Gegebenheiten, die eine Überprüfung und ggf. Anpassung der Gefährdungsbeurteilung für den Fuhrpark erforderlich macht. Insoweit muss also „nur“ die bisherige Gefährdungsbeurteilung um die „neuen“ Risiken ergänzt werden, die sich im Zusammenhang mit der Elektromobilität ergeben können.
Alles elektrisch – alles anders?
Hierfür muss als erstes festgestellt werden, ob es bei der Benutzung von Elektrofahrzeugen „neue“ oder spezifische Gefährdungen gibt, die sich von den Gefährdungen bei der Nutzung von Fuhrparkfahrzeugen mit Verbrennungsmotoren unterscheiden. Nach Paragraf 6 Abs. 1 ArbSchG werden das Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung, die festgelegten Maßnahmen und das Ergebnis ihrer Überprüfung dokumentiert.
Was sind die „neuen“ Risiken der E-Mobilität?
Die größte Angst der Nutzer von E-Mobilen ist die vor einem elektrischen Schlag. Diese ist trotz der Hochvolt-Batterien, deren Spannungen bei E-Fahrzeugen im Pkw-Bereich bei 600 bis 800 Volt liegen, unbegründet. Unter normalen Bedingungen geht bei Serienfahrzeugen von den verbauten Hochvolt-Komponenten keine elektrische Gefahr aus. Trotzdem sollte der Fahrzeugnutzer wegen der damit verbundenen Gefahr eines Stromschlags die Finger von den orangefarbenen Leitungen des Hochvolt-Systems lassen, denn die elektrischen Gefährdungen des Hochvoltsystems können zu Körperdurchströmung und Lichtbogeneinwirkung am menschlichen Körper führen. Auch sollte jeder Kontakt zu ausgelaufenem Elektrolyt vermieden werden.
Ladevorgänge kommen bei heutigen E-Mobilen durchaus häufiger vor, weil die Reichweite durch die Batteriekapazität begrenzt wird. Zur Vermeidung von Stromschlägen sollten dabei nur geprüfte Ladekabel verwendet werden, die vor dem Ladevorgang einer Sichtprüfung zu unterziehen sind. Der Fuhrparkbetreiber muss bei Einsatz von Elektrofahrzeugen dafür Sorge tragen, dass die Ladekabel nebst Elektroadapter als bewegliche Arbeitsmittel durch Elektrofachkräfte auf Betriebssicherheit, Arbeitssicherheit und Verkehrssicherheit geprüft werden; hierbei ist u.a. die Richtlinie „ECE R 100“ als Prüfungsgrundlage zu beachten. Dem Nutzer eines Elektrofahrzeugs ist als technischem Laien ausschließlich eine Sichtprüfung auf eventuelle Defekte von E-Ladekabeln möglich.
Das müssen Sie als Fahrer eines Elektrofahrzeugs bei der Sichtprüfung beachten:
- Die Ladeeinrichtungen für Plug-in-Fahrzeuge müssen entweder mit einem FI-Schutzschalter (RCD) Typ B oder einem FI-Schutzschalter Typ A mit zusätzlicher Maßnahme zur Abschaltung bei DC-Gleichfehlerströmen geschützt sein.
- Das Gehäuse der Ladestation sollte keine erkennbaren Schäden aufweisen.
- Das Ladekabel sollte keine erkennbaren Schäden aufweisen. Wenn Ladekabel äußerlich erkennbare Defekte aufweisen oder nicht mehr fest mit den Steckverbindungen verbunden sind, sollten diese nicht verwendet werden.
- Bei einer Ladesäule im Außenbereich sollte sich weder in den Steckverbindungen noch dem Anschluss für das E-Ladekabel Regenwasser befinden; im, Normalfall stellt ein Steckdosenmechanismus hier den Wasserablauf sicher.
- Laufen beim Ladevorgang Elektroadapter heiß oder erhitzen sich Ladekabel stark, weist das auf einen Defekt hin und der Ladevorgang sollte unterbrochen werden.
Keine elektrische Gefährdung besteht bei einer Panne. Elektroautos sind nämlich systembedingt durch Maßnahmen der Hersteller abgesichert. Pannenhilfe ist daher grundsätzlich möglich.
Der kritische Punkt beim Unfall mit einem E-Mobil ist jedoch die mögliche mechanische Verformung der Batterie durch starke äußere Einflüsse. Die Fahrzeughersteller betreiben einen sehr großen technischen Aufwand, um die Batteriepacks im Unterboden der Fahrzeuge vor einer Deformation zu schützen. Das Batteriepack wird unterhalb des Fahrzeugs verbaut und mit einem Rahmen verstärkt. Diese Versteifung bringt aber zusätzliches Gewicht mit sich. Dabei werden die elektrischen Komponenten „eigensicher“ ausgelegt, was bedeutet, dass der Stromfluss der Hochvolt-Batterie unterbunden wird sobald im System ein Defekt auftritt. Kommt es zum Unfall, wird die Batterie sofort und automatisch von den anderen Hochvoltkomponenten und -kabeln getrennt, damit dort keine Spannung mehr anliegt. Bei den Euro NCAP-Crashtests ist bislang keines der aktuellen Elektrofahrzeuge negativ aufgefallen. Wegen der optimierten Rahmenverstärkung ist die Sicherheit der E-Mobile sogar oftmals besser als beim herkömmlichen Verbrenner. Der Zustand verunfallter E-Fahrzeuge ist daher durch Fachkundige festzustellen und die weitere Vorgehensweise entsprechend dem Ergebnis festzulegen. Beschädigte Energiespeicher sind gemäß den Vorgaben der Herstellerfirmen zu behandeln.
Das Risiko eines Fahrzeugbrands ist auch bei einer unfallbedingten Kollision vergleichsweise gering, da aktuelle Elektroautos bei einem Unfall genauso sicher sind wie herkömmliche Autos. Das Hochvoltsystem wird nach einem Unfall mit Auslösung des Airbags abgeschaltet. Ein wesentlicher Aspekt bei Unfällen ist aber dennoch die mögliche Reaktion bei einer Überladung von Zellen. Da in Lithium-Ionen-Batterien Materialien mit hohen Energiegehalten und hochentzündliche Elektrolyte kombiniert sind, können Kurzschlüsse und hohe Temperaturen zu sicherheitskritischen Situationen wie Ausgasung, Selbstentzündung und Leckage führen. Diese Überladung der Zellen kann zu einer unkontrollierbaren Erhitzung und schlimmstenfalls zum sogenannten „thermal runaway“ mit Ausgasen und Brand der Zellen führen. Für Fahrzeuge mit beschädigten Hochvolt-Batterien sollte man wegen der damit verbundenen Brandgefahren einen geeigneten Abstellort wählen. Es sollte ein Verfahren für den (unwahrscheinlichen) Fall des Ausgasens des Energiespeichers festgelegt werden. Lithium-Ionen-Energiespeicher sollten im Brandfall nur unter Atemschutz mit viel Wasser beziehungsweise mit Spezialschaum gelöscht werden, wenn dies seitens der Herstellfirmen nicht anders vorgegeben ist.
Wichtig ist ferner, dass Unfallhelfer und Rettungskräfte bei Unfällen auf den Elektroantrieb hinzuweisen sind, denn nicht jedes Fahrzeug verfügt über ein E-Kennzeichen. Pannenhelfer und Rettungskräfte brauchen zudem eine spezielle Ausbildung. Hilfreich können hier Aufkleber mit Pfeilmarkierungen an den Scheiben der E-Mobile sein, die auf das Vorhandensein von Rettungskarten hinweisen.
Weitere Risiken bestehen bei der Benutzung der E-Mobile im Straßenverkehr. Elektrofahrzeuge sind wegen ihres lautlosen Elektroantriebs für Passanten und andere Verkehrsteilnehmer i. d. R. nicht oder nur sehr spät zu hören. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, dass sich der Fahrer auf überraschende beziehungsweise unerwartete Reaktionen von anderen Verkehrsteilnehmern einstellen muss. Wegen des lautlosen Elektroantriebs gibt es außerdem auch kein Motorengeräusch, von dem der Fahrer auf die „gefühlte“ Geschwindigkeit schließen könnte. Daher kann es dazu kommen, dass Höchstgeschwindigkeiten und Geschwindigkeitsbegrenzungen schneller überschritten werden – mit allen damit verbundenen allgemeinen Unfallrisiken.
Aus diesem Grund müssen E-Autos seit dem 1. Juli 2019 zum Schutz von Fußgängern Geräusche von sich geben, unzwar bis zu einer Geschwindigkeit von 20 km/h. Die Geräusche sind nicht näher definiert, doch soll es die Fußgänger auf das Vehikel aufmerksam machen. Das sogenannte AVAS (Acoustic Vehicle Alerting System) produziert die Geräusche.
Bei rein batterieelektrisch betriebenen Fahrzeugen kann das Fahrverhalten durch die Eigenheiten der direkten Übersetzung des Elektromotors auf die Antriebsachse beeinflusst werden. So kann es dazu kommen, dass bei Benutzung des „Eco“-Knopfes, mit dem deutlich weniger Strom verbraucht wird, das Elektrofahrzeug sofort langsamer wird. Das ist mitunter mit einem Bremsmanöver vergleichbar, nur dass dabei keine Bremslichter aufleuchten, die den Hintermann entsprechend vorwarnen, dass sein Vordermann langsamer wird. Umgekehrt kann es bei Abschaltung des Eco-Modus zu einer kurzfristigen, starken Beschleunigung kommen, weshalb man genügend Abstand zum Vordermann haben sollte. Auch kann das Fahrverhalten eines E-Mobils durch das sehr hohe Eigengewicht der meistens im Unterboden eingebauten Fahrzeugbatterien erheblich beeinflusst werden. Vor allem im Winterbetrieb ist daher mit einem überraschenden Verhalten der Fahrzeuge zu rechnen.
Gefahr gebannt: Fahrerunterweisung anpassen
Für Fahrerunterweisungen ist grundsätzlich der Arbeitgeber verantwortlich (vgl. § 12 ArbSchG und § 12 BetrSichV). Hierbei geht es um die Arbeitssicherheit, sichere Betriebsabläufe und gesunde Arbeitsbedingungen. Mitarbeiter können sich nur korrekt verhalten, wenn sie über die richtigen Arbeitsabläufe, Gefährdungen, Schutzmaßnahmen, Sicherheitskennzeichnungen und das Verhalten bei Störungen und Notfällen ausreichend informiert wurden. Die Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung fließen daher in die Fahrerunterweisung ein und bestimmen deren Inhalte.
Die eigentliche Fahrerunterweisung hat dann im Rahmen der Grundsätze der Prävention (§ 4 DGUV Vorschrift 1) und der Unfallverhütungsvorschrift Fahrzeuge (DGUV Vorschrift 70) zu erfolgen.
Weiterführende Informationen bieten die DGUV Information 200-005 Qualifizierung für Arbeiten an Fahrzeugen mit Hochvoltsystemen, die FAQ-Liste der AG Handlungsrahmen Elektromobilität sowie die Broschüre Sicherheitsbeurteilung Verkehrssicherheit 230.17 DP und das BG-Infoblatt Verkehrssicherheitsarbeit im Betrieb 375.
Es empfiehlt sich, dass Dienstwagenberechtigte nur nach einer zusätzlichen technischen Fahrzeugeinweisung als Unterweisung im Hinblick auf die Besonderheiten des Elektroantriebs auf ein E-Mobil umsteigen dürfen. Die Besonderheiten und Eigenheiten des Fahrverhaltens lassen sich nämlich am besten im Rahmen einer technischen Unterweisung sprichwörtlich „erfahren“. Es sollten daher nur „E-Mobil-unterwiesene“ Personen auch mit Elektrofahrzeugen fahren.
Auf Aktualität geprüft am 01.07.2024