Arbeitsmedizinische Vorsorge: Pflicht-, Angebots- und Wunschvorsorge

Die arbeitsmedizinische Vorsorge umfasst eine Reihe von Untersuchungen, die arbeitsbedingte Erkrankungen und gesundheitliche Schädigungen ausschließen sollen. Dabei wird unterschieden zwischen der Pflichtvorsorge, der Angebotsvorsorge und der Wunschvorsorge. Wie sich die einzelnen Vorsorgearten voneinander unterscheiden und warum eine arbeitsmedizinische Vorsorge im Unternehmen angeboten werden sollte, erfahren Sie in unserem Beitrag.

Arbeitsmedizinische Vorsorge: Was ist das?

Oftmals noch bekannt unter dem Namen „Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen“ handelt es sich bei der arbeitsmedizinischen Vorsorge um Präventionsmaßnahmen zur Früherkennung arbeitsbedingter Erkrankungen. Sie wird im Wesentlichen durch Handlungsempfehlungen der Berufsgenossenschaften und der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) bestimmt. Am 31. Oktober 2013 fand eine Anpassung sowie die Umbenennung in arbeitsmedizinische Vorsorge statt. Hintergrund war die Klarstellung, dass Mitarbeiter nicht gegen ihren Willen arbeitsmedizinisch untersucht werden dürfen.

Als rechtliche Grundlage dient die gleichnamige Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV). Diese wiederum ist in Paragraf 11 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) als Fürsorgepflicht des Arbeitgebers festgehalten. Darin heißt es:

„Der Arbeitgeber hat den Beschäftigten auf ihren Wunsch unbeschadet der Pflichten aus anderen Rechtsvorschriften zu ermöglichen, sich je nach den Gefahren für ihre Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit regelmäßig arbeitsmedizinisch untersuchen zu lassen, es sei denn, auf Grund der Beurteilung der Arbeitsbedingungen und der getroffenen Schutzmaßnahmen ist nicht mit einem Gesundheitsschaden zu rechnen.“

Grundlage für jede arbeitsmedizinische Vorsorge ist die Gefährdungsbeurteilung. Diese wiederum ist abhängig von der vom Mitarbeiter ausgeführten Tätigkeiten. Wie die Gefährdungsbeurteilung gestaltet sein soll, ist gesetzlich nicht geregelt. Im Fokus stehen jedoch Maßnahmen zum Schutz und zur Förderung der Gesundheit eines jeden Mitarbeiters.

Bei der arbeitsmedizinischen Vorsorge wird die Wechselwirkung zwischen Arbeit und Gesundheit betrachtet. Je nach Tätigkeitsbereich unterscheidet sich die Vorsorge. Es gibt Pflichtvorsorgen, Angebotsvorsorgen und Wunschvorsorgen.

Arbeitsmedizinische_Vorsorgearten

Abbildung: Arbeitsmedizinische Vorsorge im Überblick (eigene Darstellung)

Die Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) regelt die Anlässe für die Durchführung einer solchen Untersuchung. Generell wird bei Angeboten der arbeitsmedizinischen Vorsorge zwischen Pflichtvorsorge und Angebotsvorsorge unterschieden. Beide Begriffe werden in Paragraf 2 ArbMedVV Abs. 2 und Abs. 3 genauer definiert:

(2) Pflichtvorsorge ist arbeitsmedizinische Vorsorge, die bei bestimmten besonders gefährdenden Tätigkeiten veranlasst werden muss.

(3) Angebotsvorsorge ist arbeitsmedizinische Vorsorge, die bei bestimmten gefährdenden Tätigkeiten angeboten werden muss.

(§2 ArbMedVV Abs. 2 und Abs. 3)

Pflichtvorsorge

Es gibt Vorsorgen, die der Arbeitgeber veranlassen muss. Das ist immer bei besonders gefährlichen Tätigkeiten, wie bspw. dem Umgang mit Gefahrstoffen oder Tätigkeiten mit physikalischen Einwirkungen, der Fall. Unter Gefahrstoffe fallen unter anderem Asbest, Benzol, Methanol oder Kohlenmonoxid, aber auch einatembarer Staub. Tätigkeiten mit physikalischen Einwirkungen sind vor allem Arbeiten unter extremer Hitze- oder Kältebelastungen oder Arbeiten mit schweren Gewichten. Die sogenannte Pflichtvorsorge ist folglich eine Tätigkeitsvoraussetzung. Eine Übersicht dazu findet sich in der Anlage zur ArbMedVV. Bei unzureichender Vorsorge drohen dem Arbeitgeber Strafen und Bußgelder. Der Arbeitnehmer darf seiner Tätigkeit nur dann nachgehen, wenn er erfolgreich an der Pflichtvorsorge teilgenommen hat. Weigert er sich, kann ihm gegenüber ein Berufsverbot ausgesprochen werden. Klinische oder körperliche Untersuchungen dürfen allerdings nicht gegen seinen Willen durchgeführt werden.

Angebotsvorsorge

Bei der Angebotsvorsorge handelt es sich um eine Untersuchung, die der Arbeitgeber anbieten muss, die jedoch für den Arbeitnehmer nicht verpflichtend ist. Ob der Arbeitgeber bestimmte Vorsorgen anbieten muss, hängt von den Voraussetzungen eines Tätigkeitsbereiches ab, die er im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung prüfen muss. Diese sind ebenfalls in der Anlage zur ArbMedVV festgehalten. Eine bekannte Angebotsvorsorge ist z.B bei Tätigkeiten an Bildschirmgeräten notwendig. Bietet der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern diese Art von Vorsorgen nicht an, muss er ebenfalls mit Bußgeldern rechnen. Der Umfang und Inhalt der Vorsorge sind bei Pflicht- und Angebotsvorsorgen gleich.

Was genau die Angebotsvorsorge beinhaltet, regelt Paragraf 5 ArbMedVV:

(1) Der Arbeitgeber hat den Beschäftigten Angebotsvorsorge nach Maßgabe des Anhangs anzubieten. Angebotsvorsorge muss vor Aufnahme der Tätigkeit und anschließend in regelmäßigen Abständen angeboten werden. Das Ausschlagen eines Angebots entbindet den Arbeitgeber nicht von der Verpflichtung, weiter regelmäßig Angebotsvorsorge anzubieten.

(2) Erhält der Arbeitgeber Kenntnis von einer Erkrankung, die im ursächlichen Zusammenhang mit der Tätigkeit des oder der Beschäftigten stehen kann, so hat er ihm oder ihr unverzüglich Angebotsvorsorge anzubieten. Dies gilt auch für Beschäftigte mit vergleichbaren Tätigkeiten, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie ebenfalls gefährdet sein können.

(3) Der Arbeitgeber hat Beschäftigten sowie ehemals Beschäftigten nach Maßgabe des Anhangs nach Beendigung bestimmter Tätigkeiten, bei denen nach längeren Latenzzeiten Gesundheitsstörungen auftreten können, nachgehende Vorsorge anzubieten. Am Ende des Beschäftigungsverhältnisses überträgt der Arbeitgeber diese Verpflichtung auf den zuständigen gesetzlichen Unfallversicherungsträger und überlässt ihm die erforderlichen Unterlagen in Kopie, sofern der oder die Beschäftigte eingewilligt hat.

Zusätzlich zur Pflichtvorsorge und Angebotsvorsorge gibt es die sogenannte Wunschvorsorge:

(4) Wunschvorsorge ist arbeitsmedizinische Vorsorge, die bei Tätigkeiten, bei denen ein Gesundheitsschaden nicht ausgeschlossen werden kann, auf Wunsch des oder der Beschäftigten ermöglicht werden muss.

(§2 ArbMedVV Abs. 4)

Wunschvorsorge

Muss der Arbeitgeber weder Pflicht- noch Angebotsvorsorgen ermöglichen, kann der Arbeitnehmer auf eigenen Wunsch eine Vorsorge fordern. Dann muss der Arbeitgeber die sogenannte Wunschvorsorge anbieten, „[…] es sei denn, auf Grund der Beurteilung der Arbeitsbedingungen und der getroffenen Schutzmaßnahmen ist nicht mit einem Gesundheitsschaden zu rechnen.“ Dies ist in Paragraf 11 ArbSchG festgehalten. Im Streitfall muss der Arbeitgeber allerdings beweisen, dass kein Gesundheitsschaden bei der ausgeübten Tätigkeit entstehen kann. Die Wunschvorsorge ist auf keinen Tätigkeitsbereich begrenzt. Aus diesem Grund stellt auch die ArbMedVV keine konkreten Forderungen. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat allerdings eine „Arbeitsmedizinische Empfehlung“ zur Wunschvorsorge herausgegeben.

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Sind die Untersuchungen im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge Pflicht?

Der Arbeitgeber muss die arbeitsmedizinischen Untersuchungen im Rahmen seiner Fürsorgepflicht für seine Mitarbeiter anbieten. Die Beschäftigten müssen den Untersuchungen jedoch nicht zustimmen und können sich freiwillig dafür entscheiden.

Ausnahmen gibt es zum einen für Jugendliche bis 18 Jahre gemäß Paragraf 32 Abs. 1 des Jugendarbeitsschutzgesetzes. Eine Einstellung Minderjähriger ist nur zulässig nach einer erfolgreichen betriebsärztlichen Einstellungsuntersuchung. Diese prüft die Eignung sowie Tauglichkeit vor Abschluss eines Arbeitsverhältnisses.

Des Weiteren sind Einstellungs- sowie Folgeuntersuchungen in folgenden Bereichen verpflichtend:

  • beim Umgang mit Gefahrstoffen oder Strahlenbelastung
  • bei Personen mit besonderer Verantwortung für andere (z. B. Pilot, Busfahrer, Lokführer, Ärzte)
  • bei Beamten

Wer darf arbeitsmedizinische Untersuchungen durchführen?

Durchgeführt werden arbeitsmedizinische Vorsorgen ausschließlich vom Facharzt für Arbeitsmedizin bzw. dem Betriebsarzt. Dieser muss bestimmte Voraussetzungen nach Paragraf 7 ArbMedVV erfüllen. Darunter fällt, dass der Betriebsarzt „keine Arbeitgeberfunktion gegenüber“ den zu untersuchenden Beschäftigten ausübt. Empfehlenswert ist, dass der er eng mit Arbeitsschutzbeauftragten im Unternehmen zusammenarbeitet, damit der bestmögliche Schutz für die Mitarbeiter gewährleistet werden kann.

Wie oft müssen arbeitsmedizinische Untersuchungen durchgeführt werden?

Die Pflichtvorsorge muss zunächst vor der Einstellung bzw. dem ersten Arbeitstag erfolgen. Angebotsvorsorgen müssen ebenfalls bereits bei Arbeitsbeginn angeboten werden. Je nach Tätigkeitsbereich müssen Pflicht- und Angebotsvorsorge dann in den nächsten sechs bis zwölf Monaten wiederholt werden. Anschließend erfolgt die Wiederholung in regelmäßigen Abständen von 24 bis 36 Monaten.

G-Ziffern in der Übersicht

Die fortlaufenden G-Ziffern sind Grundsätze der Berufsgenossenschaften zur arbeitsmedizinischen Vorsorge. Dabei handelt es sich um Handlungsanleitungen bzw. Orientierungshilfen für den Betriebsarzt. Sie stellen somit keine verbindliche Rechtsgrundlage dar. Der Arbeitgeber wird lediglich vom Gesetzgeber aufgefordert, nur geeignete Personen für bestimmte Aufgabenbereiche einzusetzen.

Derzeit existieren 50 G-Ziffern:

G 1.1 Quarzhaltiger Staub

G 15 Chrom VI – Verbindungen

G 33 Aromatische Nitro- oder Aminoverbindungen

G 1.2 Asbestfaserhaltiger Staub

G 16 Arsen oder seine Verbindungen

G 34 Fluor oder seine Verbindungen

G 1.3 keramikfaserhaltiger Staub

G 17 Künstliche optische Strahlung

G 35 Arbeitsaufenthalt in klimatisch belastenden Gegenden

G 1.4 Staubbelastung

G 18 1,1,2,2-Tetrachlorethan (Pentachlorethan)

G 36 Vinylchlorid

G 2 Blei

G 20 Lärm

G 37 Bildschirmarbeitsplätze

G 3 Bleialkyle

G 21 Kälte

G 38 Nickel oder seine Verbindungen

G 4 Gefahrstoffe, die Hautkrebs verursachen können

G 22 Zähne

G 39 Schweissrauche

G 5 Glycerintrinitrat (Nitroglycerin)

G 23 Obstruktive Atemwegserkrankungen

G 40 Krebserzeugende Gefahrstoffe

G 6 Kohlendisulfid (Schwefelkohlenstoff)

G 24 Hauterkrankungen ohne Hautkrebs

G 41 Arbeiten mit Absturzgefahr

G 7 Kohlenmonoxid

G 25 Fahr-, Steuer- und Überwachungstätigkeiten

G 42 Tätigkeiten mit Infektionsgefährdung

G 8 Benzol

G 26 Atemschutzgeräte

G 43 Biotechnologie

G 9 Quecksilber oder seine Verbindungen

G 27 Isocyanate

G 44 Buchen- und Eichenholzstaub

G 10 Methanol

G 28 Arbeiten in sauerstoff-reduzierten Bereichen

G 45 Styrol

G 11 Schwefelwasserstoff

G 29 Benzolhomologe (Toluol, Xylol)

G 46 Belastungen des Muskel- und Skelettsystems

G 12 Phosphor (weißer)

G 30 Hitzearbeiten

G 88 Deponie (BG Bau)

G 13 Tetrachlormethan (Tetrachlorkohlenstoff)

G 31 Überdruck

G 88 Holzschutzmittel (Holz-BG)

G 14 Trichlorethen (Trichlorethylen)

G 32 Cadmium und seine Verbindungen

Ausgewählte G-Untersuchungen im Detail

Im Detail haben wir uns mit der G25 Untersuchung und der Bedeutung für den Fuhrpark, der G37 Untersuchung für Bildschirmarbeitsplätze sowie der G46 Untersuchung bei Belastungen des Muskel-Skelettsystems befasst. Detaillierte Informationen zu den Untersuchungen, deren Anwendungsbereichen sowie den Pflichten für Arbeitgeber und Arbeitnehmer in unseren dazu passenden Beiträgen:

Unterweisungen im Unternehmen  Im Rahmen von Unfallverhütungs- und Arbeitssicherheitsmaßnahmen ist der  Arbeitgeber gesetzlich dazu verpflichtet, Mitarbeiter regelmäßig zu Sicherheit  und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz zu unterweisen. Dies umfasst  beispielsweise Unterweisungen wie Erste Hilfe, Brandschutz oder  Bildschirmarbeit. Unterweisungen müssen regelmäßig wiederholt und dokumentiert  werden.   Mit LapID können Sie Arbeitssicherheitsunterweisungen einfach via E-Learning  durchführen und so Ihre Mitarbeiter orts- und zeitunabhängig unterweisen.Mehr  Informationen zu Unterweisungen erhalten.


Stefanie Effer

Stefanie Effer


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