Arbeitsmedizinische Vorsorge: Pflicht-, Angebots- und Wunschvorsorge

Von der gesetzlichen Fürsorgepflicht bis zu individuellen Vorsorgewünschen: Die arbeitsmedizinische Vorsorge ist vielschichtig – und ihre Umsetzung essenziell für jeden Betrieb. Wir zeigen, wie Sie Mitarbeiter schützen, Haftungsrisiken vorbeugen und wie sich die einzelnen Vorsorgearten voneinander unterscheiden.

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Arbeitsmedizinische Vorsorge: Pflicht-, Angebots- und Wunschvorsorge
Stefanie Effer
Aktualisierung am 28.11.2025

Von der gesetzlichen Fürsorgepflicht bis zu individuellen Vorsorgewünschen: Die arbeitsmedizinische Vorsorge ist vielschichtig – und ihre Umsetzung essenziell für jeden Betrieb. Wir zeigen, wie Sie Mitarbeiter schützen, Haftungsrisiken vorbeugen und wie sich die einzelnen Vorsorgearten voneinander unterscheiden.

Inhaltsverzeichnis:

Die wichtigsten Inhalte auf einen Blick

  • Ziel der arbeitsmedizinischen Vorsorge ist der Schutz vor arbeitsbedingten Erkrankungen und gesundheitlichen Schädigungen.
  • Es gibt drei Arten: Pflichtvorsorge (vorgeschrieben bei bestimmten Gefährdungen), Angebotsvorsorge (muss bei bestimmten Risiken angeboten werden) und Wunschvorsorge (freiwillige Vorsorge auf Wunsch des Mitarbeiters).
  • Rechtliche Basis ist die Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) und das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG).
  • Bei unzureichender Vorsorge drohen Arbeitgebern Bußgelder und ggf. ein Tätigkeitsverbot für Mitarbeiter.


Arbeitsmedizinische Vorsorge: Was ist das?

Die arbeitsmedizinische Vorsorge (früher „Arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen“) umfasst Präventionsmaßnahmen zur Früherkennung arbeitsbedingter Erkrankungen. Sie wird im Wesentlichen durch Handlungsempfehlungen der Berufsgenossenschaften und der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) bestimmt. Am 31. Oktober 2013 erfolgte eine Anpassung sowie die Umbenennung in arbeitsmedizinische Vorsorge. Hintergrund war die Klarstellung, dass Mitarbeiter nicht gegen ihren Willen arbeitsmedizinisch untersucht werden dürfen.

Wo ist die arbeitsmedizinische Vorsorge gesetzlich geregelt?

Als rechtliche Grundlage dient die gleichnamige Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV). Sie bildet die zentrale rechtliche Grundlage, die die Anlässe und Definitionen der verschiedenen Arten der arbeitsmedizinischen Vorsorge regelt. Je nach Tätigkeitsbereich unterscheidet sich die Vorsorge. Grundlage für jede arbeitsmedizinische Vorsorge ist die Gefährdungsbeurteilung.

Arbeitsmedizinische Vorsorgearten Infografik

Abbildung: Arbeitsmedizinische Vorsorge im Überblick (eigene Darstellung)

Die arbeitsmedizinische Vorsorge ist in Paragraf 11 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) außerdem als Fürsorgepflicht des Arbeitgebers festgehalten. Darin heißt es:

„Der Arbeitgeber hat den Beschäftigten auf ihren Wunsch unbeschadet der Pflichten aus anderen Rechtsvorschriften zu ermöglichen, sich je nach den Gefahren für ihre Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit regelmäßig arbeitsmedizinisch untersuchen zu lassen, es sei denn, auf Grund der Beurteilung der Arbeitsbedingungen und der getroffenen Schutzmaßnahmen ist nicht mit einem Gesundheitsschaden zu rechnen.“

Zu unterscheiden von der Arbeitsmedizinischen Vorsorge ist außerdem die Eignungsuntersuchung.

Sind die Untersuchungen im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge Pflicht?

Ja, der Arbeitgeber muss die arbeitsmedizinische Vorsorge im Rahmen seiner Fürsorgepflicht für alle Mitarbeiter anbieten. Die Beschäftigten müssen den Untersuchungen jedoch nicht zustimmen und können sich freiwillig dafür entscheiden.

Ausnahmen gibt es für Jugendliche bis 18 Jahre gemäß Paragraf 32 Abs. 1 des Jugendarbeitsschutzgesetzes.

Wer darf die arbeitsmedizinische Vorsorge durchführen?

Durchgeführt werden arbeitsmedizinische Vorsorgen ausschließlich vom Facharzt für Arbeitsmedizin bzw. dem Betriebsarzt. Dieser muss bestimmte Voraussetzungen nach Paragraf 7 ArbMedVV erfüllen. Darunter fällt, dass der Betriebsarzt „keine Arbeitgeberfunktion“ gegenüber den zu untersuchenden Beschäftigten ausübt. Empfehlenswert ist, dass der Betriebsarzt eng mit dem Arbeitsschutzbeauftragten im Unternehmen zusammenarbeitet, damit der bestmögliche Schutz für die Mitarbeiter gewährleistet werden kann.

Wie oft müssen arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen durchgeführt werden?

Die Pflichtvorsorge muss zunächst vor der Einstellung bzw. dem ersten Arbeitstag erfolgen. Angebotsvorsorgen müssen ebenfalls bereits bei Arbeitsbeginn angeboten werden. Je nach Tätigkeitsbereich müssen Pflicht- und Angebotsvorsorge dann in regelmäßigen Abständen wiederholt werden.

  1. Erstuntersuchung: Pflicht- und Angebotsvorsorge müssen vor der Einstellung bzw. dem ersten Arbeitstag erfolgen oder angeboten werden.
  2. Wiederholung: Je nach Tätigkeitsbereich innerhalb der nächsten sechs bis zwölf Monate, anschließend in regelmäßigen Abständen von 24 bis 36 Monaten.

Zu welchen Anlässen erfolgt die arbeitsmedizinische Vorsorge?

Die Anlässe sind in der ArbMedVV geregelt. Es gibt Pflichtvorsorgen, Angebotsvorsorgen und Wunschvorsorgen. Die Begriffe werden in Paragraf 2 ArbMedVV Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 4 genauer definiert:

(2) Pflichtvorsorge ist arbeitsmedizinische Vorsorge, die bei bestimmten besonders gefährdenden Tätigkeiten veranlasst werden muss.

(3) Angebotsvorsorge ist arbeitsmedizinische Vorsorge, die bei bestimmten gefährdenden Tätigkeiten angeboten werden muss.

(4) Wunschvorsorge ist arbeitsmedizinische Vorsorge, die bei Tätigkeiten, bei denen ein Gesundheitsschaden nicht ausgeschlossen werden kann, auf Wunsch des oder der Beschäftigten ermöglicht werden muss.

(§2 ArbMedVV Abs. 2 bis 4)

Die Pflichtvorsorge

Es gibt Vorsorgen, die der Arbeitgeber veranlassen muss. Das ist immer bei besonders gefährlichen Tätigkeiten, wie bspw. dem Umgang mit Gefahrstoffen oder Tätigkeiten mit physikalischen Einwirkungen, der Fall. Unter Gefahrstoffe fallen unter anderem Asbest, Benzol, Methanol oder Kohlenmonoxid, aber auch Staub. Tätigkeiten mit physikalischen Einwirkungen sind vor allem Arbeiten unter extremer Hitze- oder Kältebelastungen oder Arbeiten mit schweren Gewichten.

Die sog. Pflichtvorsorge ist folglich eine Tätigkeitsvoraussetzung. Eine Übersicht dazu findet sich in der Anlage zur ArbMedVV. Bei unzureichender Vorsorge drohen dem Arbeitgeber Strafen und Bußgelder. Der Arbeitnehmer darf seiner Tätigkeit nur dann nachgehen, wenn er erfolgreich an der Pflichtvorsorge teilgenommen hat. Weigert er sich, kann ihm gegenüber ein Berufsverbot ausgesprochen werden. Klinische oder körperliche Untersuchungen dürfen allerdings nicht gegen seinen Willen durchgeführt werden.

Die Angebotsvorsorge

Bei der Angebotsvorsorge handelt es sich um eine Untersuchung, die der Arbeitgeber anbieten muss, die jedoch für den Arbeitnehmer nicht verpflichtend ist. Ob der Arbeitgeber bestimmte Vorsorgen anbieten muss, hängt von den Voraussetzungen eines Tätigkeitsbereiches ab, die er im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung prüfen muss. Diese sind ebenfalls in der Anlage zur ArbMedVV festgehalten. Eine bekannte Angebotsvorsorge ist z.B bei Tätigkeiten an Bildschirmgeräten notwendig. Bietet der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern diese Art von Vorsorgen nicht an, muss er ebenfalls mit Bußgeldern rechnen. Der Umfang und Inhalt der Vorsorge sind bei Pflicht- und Angebotsvorsorgen gleich.

Was genau die Angebotsvorsorge beinhaltet, regelt Paragraf 5 ArbMedVV:

(1) Der Arbeitgeber hat den Beschäftigten Angebotsvorsorge nach Maßgabe des Anhangs anzubieten. Angebotsvorsorge muss vor Aufnahme der Tätigkeit und anschließend in regelmäßigen Abständen angeboten werden. Das Ausschlagen eines Angebots entbindet den Arbeitgeber nicht von der Verpflichtung, weiter regelmäßig Angebotsvorsorge anzubieten.

(2) Erhält der Arbeitgeber Kenntnis von einer Erkrankung, die im ursächlichen Zusammenhang mit der Tätigkeit des oder der Beschäftigten stehen kann, so hat er ihm oder ihr unverzüglich Angebotsvorsorge anzubieten. Dies gilt auch für Beschäftigte mit vergleichbaren Tätigkeiten, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie ebenfalls gefährdet sein können.

(3) Der Arbeitgeber hat Beschäftigten sowie ehemals Beschäftigten nach Maßgabe des Anhangs nach Beendigung bestimmter Tätigkeiten, bei denen nach längeren Latenzzeiten Gesundheitsstörungen auftreten können, nachgehende Vorsorge anzubieten. Am Ende des Beschäftigungsverhältnisses überträgt der Arbeitgeber diese Verpflichtung auf den zuständigen gesetzlichen Unfallversicherungsträger und überlässt ihm die erforderlichen Unterlagen in Kopie, sofern der oder die Beschäftigte eingewilligt hat.

Die Wunschvorsorge

Muss der Arbeitgeber weder Pflicht- noch Angebotsvorsorgen ermöglichen, kann der Arbeitnehmer auf eigenen Wunsch eine Vorsorge fordern. Dann muss der Arbeitgeber die sog. Wunschvorsorge anbieten, „[…] es sei denn, auf Grund der Beurteilung der Arbeitsbedingungen und der getroffenen Schutzmaßnahmen ist nicht mit einem Gesundheitsschaden zu rechnen.“Dies ist in Paragraf 11 ArbSchG festgehalten. Im Streitfall muss der Arbeitgeber allerdings beweisen, dass kein Gesundheitsschaden bei der ausgeübten Tätigkeit entstehen kann. Die Wunschvorsorge ist auf keinen Tätigkeitsbereich begrenzt. Aus diesem Grund stellt auch die ArbMedVV keine konkreten Forderungen. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat allerdings eine „Arbeitsmedizinische Empfehlung“ zur Wunschvorsorge herausgegeben.

Vorsorgetermine fristgerecht organisieren

Die Pflicht-, Angebots- und Wunschvorsorge erfordern klare Prozesse: Mit LearnID powered by LapID können Sie Aufgaben und Termine für Personen planen und Mitarbeiter rechtzeitig an anstehende Termine wie Vorsorgen und Untersuchungen erinnern. Bescheinigungen und andere Dokumente können automatisch eingeholt und digital archiviert werden.

E-Learning-Unterweisungen: Wissen vermitteln & arbeitsmedizinische Vorsorge unterstützen

Regelmäßige Unterweisungen flankieren die arbeitsmedizinische Vorsorge: Sie sensibilisieren Beschäftigte für sicheres Verhalten im Unternehmen, senken Risiken und stärken die Prävention. E-Learning kann dazu beitragen, die Wirkung der arbeitsmedizinischen Maßnahmen zu verbessern. Sei es durch praxisnahe Inhalte in den Unterweisungsmodulen, die zu typischen Vorsorgeanlässen passen (z.B. Bildschirmarbeit, Gefahrstoffe, Infektionsschutz) oder durch integrierte Verständnisprüfungen, um das Erlernte zu vertiefen.

Mit den interaktiven E-Learning-Unterweisungen von LapID & LearnID stehen Unternehmen verschiedene Module aus den Bereichen Arbeitsschutz, Compliance und Fuhrparkmanagement zur Verfügung. Mitarbeiter können so flexibel orts- und zeitunabhängig unterwiesen werden – während das Unternehmen einen Nachweis über die durchgeführten Unterweisungen erhält.

So werden Unterweisungen zu einer idealen Ergänzung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge.