Anschnallpflicht in Deutschland: Historie, Regelung und Ausnahmen

Viele Themen erregen die Gemüter in Deutschland – früher wie heute. Vor gut 45 Jahren war es die Anschnallpflicht, die die Bundesrepublik gespalten hat. Wir fassen das Wichtigste rund um die Anschnallpflicht in Deutschland – und damit auch die deutsche Historie - zum Thema Gurtpflicht zusammen und klären die populärsten Fragen, zum Beispiel, ob die Anschnallpflicht auch für Tiere gilt und ob es Ausnahmen gibt.

Seit wann gibt es die Anschnallpflicht in Deutschland?

Bald 45 Jahre ist es her, dass die Gurtpflicht oder auch Anschnallpflicht auf Pkw-Fahrersitzen in Deutschland eingeführt wurde – nämlich am 01. Januar 1976. Wie bei vielen anderen Neuerungen auch, hatte es der Sicherheitsgurt anfangs nicht leicht. Paradoxerweise: Nicht jeder wollte ihn anlegen, doch der Einbau im Fahrzeug und die Existenz des Sicherheitsgurts an sich stieß auf mehrheitlich positive Resonanz. Dass Neuwagen mit Sicherheitsgurten ausgestattet sein müssen, war in der Bundesrepublik erst seit 1974 Vorschrift. In der damaligen DDR (Deutsche Demokratische Republik) hingegen wurden bereits seit 1970 keine Neuwagen mehr ohne Sicherheitsgurte verkauft.

Zwei Jahre vor Einführung der Anschnallpflicht in Westdeutschland gab das Bundesverkehrsministerium eine psychologische Studie in Auftrag, um zu ergründen, worin die Gurtaversion bestand: Die Assoziation mit einem schweren Verkehrsunfall war damals mitunter ein Grund, weshalb das Anlegen des Sicherheitsgurts in weiten Teilen der hinter-dem-Steuer-sitzenden Bevölkerung für Widerwillen sorgte. Auch dass man sich nach einem Unfall nicht mehr aus dem Fahrzeug befreien könnte, sorgte für großes Unbehagen. Und das obwohl die Anschnallpflicht zwecks der Verkehrssicherheit eingeführt wurde, also eine Präventivmaßnahme darstellte, dass die Auswirkungen bei einem Unfall nicht so krass wie ohne Sicherheitsgurt ausfallen. Selbst logische Argumente halfen damals nicht weiter, Sympathien für den Gurt (für die eigene Sicherheit) zu wecken.

Neben der Anschnallpflicht gab es weitere Verkehrssicherheitsmaßnahmen: Die Geschwindigkeit auf Landstraßen wurde auf 100 km/h begrenzt und die Promillegrenze bei 0,8 Prozent festgelegt. Anfangs gab es kein Bußgeld, wenn man nicht angeschnallt war – dieses wurde erst 1984 festgelegt, nämlich auf 40 Deutsche Mark. Vermutlich gelangen die Gewöhnung und schließlich auch die Akzeptanz der Anschnallpflicht, dank der drohenden finanziellen Einbußen.

Die Anschnallpflicht galt vorerst nicht für Personen auf dem Rücksitz, sondern lediglich für den Fahrer. Erst seit 1979 gilt die Anschnallpflicht hinten im Auto beziehungsweise für alle Mitfahrer. Die Anschnallpflicht in Österreich gibt es ebenfalls seit 1976 und seit 2006 gilt sie in ganz Europa.

Weniger Verkehrstote dank Anschnallpflicht in Deutschland

Vor dem verpflichtenden Einbau des Sicherheitsgurts in Neuwagen starben zwischen 1953 und 1974 weit über 15.000 Menschen in Verkehrsunfällen in der damaligen Bundesrepublik pro Jahr. Erst Ende der 1960er / Anfang der 1970er Jahre sank die Zahl der Verkehrstoten, doch blieb sie bis etwa Anfang der 1980er Jahre bei über 15.000 Verkehrstoten pro Jahr, wie man in der untenstehenden Grafik erkennen kann. Der Sicherheitsgurt rettet statistisch gesehen Leben – und das trotz des anfänglichen Widerstands in großen Teilen der Bevölkerung. Seit 2013 liegt die Zahl der Verkehrstoten bei gerundet 3.000 Menschen - noch immer viel zu hoch, doch dank des Sicherheitsgurts und der in den Jahren nach dessen Einführung weiteren Novellen in der Straßenverkehrs-Ordnung deutlich niedriger als in den Jahrzehnten zuvor.

Infografik Sicherheitsgurt Unfallzahlen 1953-2013

Quelle: statista.de

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Hätten Sie es gedacht?

Im Vergleich zu einem Airbag – der übrigens keine Pflicht in Deutschland ist, schützt der Sicherheitsgurt die Insassen bei einem Unfall mehr und verringert die Verletzungsgefahr: „Für die nicht angegurteten Insassen ist der Airbag nahezu wirkungslos. Unter Umständen kann sie der Luftsack sogar gefährden. Immerhin entfaltet sich der Airbag mit rund 200 km/h. Bereits bei geringen Aufprallgeschwindigkeiten treten Kräfte auf, die ein Mensch nicht auffangen kann. Bei einer Kollision mit 14 km/h gegen eine Mauer zum Beispiel entsprechen die Aufprallkräfte bereits dem Achtfachen des Körpergewichts“, so Stefanie Ritter, Unfallforscherin bei DEKRA.

Gilt die Anschnallpflicht für alle, ohne Ausnahme?

Die Paragrafen 21 (Personenbeförderung) und 21a (Sicherheitsgurte, Rollstuhl-Rückhaltesysteme, Rollstuhlnutzer-Rückhaltesysteme, Schutzhelme) der Straßenverkehrsordnung definieren, unter welchen Bedingungen Passagiere im Straßenverkehr befördert werden dürfen und welche Sicherheitsauflagen gelten.

Wenn Sie Paketboten beim Verteilen der Sendungen in ihrer Nachbarschaft aufmerksam beobachtet haben, ist Ihnen vielleicht aufgefallen, dass diese sich nicht jedes Mal anschnallen, wenn sie ihr Fahrzeug zum nächsten Haus fahren. Ist das legal oder eine Ordnungswidrigkeit? Ersteres ist der Fall, denn „(…) Personen beim Haus-zu-Haus-Verkehr, (…) [die] im jeweiligen (…) Auslieferungsbezirk regelmäßig in kurzen Zeitabständen ihr Fahrzeug verlassen müssen (…)“ sind von der Anschnallpflicht befreit (§ 21a StVO).

Was ist mit Taxi- und Busfahrern, Schwangeren, Tieren – gilt für sie alle die Anschnallpflicht, obwohl es unter bestimmten Umständen Ausnahmen für Paketzusteller gibt? Ein Überblick:

Anschnallpflicht für Taxifahrer: Für Taxifahrer galt bis zum 30.10.2014 eine Ausnahme von der Gurtpflicht. Seither jedoch nicht mehr und daher: Bitte anschnallen.

Anschnallpflicht für Busfahrer: Bei Bussen unterscheidet man zwischen der Ausrüstungs- und der Anschnallpflicht, denn nicht in allen Bussen sind Sicherheitsgurte installiert. In Reisebussen, die seit dem 01.10.1999 zugelassen worden sind, müssen Sicherheitsgurte vorhanden sein (Ausrüstungspflicht, § 35a Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO). Sind Sicherheitsgurte in dem Bus, in dem Sie mitfahren, installiert und Pflicht, müssen Fahrer und Fahrgäste diese anlegen. Doch gibt es Ausnahmen für

  • Fahrten in Linien- oder Kombibussen, bei denen stehende Fahrgäste zugelassen sind,
  • Reiseleiter oder Servicepersonal, welche Dienstleistungen während der Fahrt erbringen und
  • Fahrgäste, die beispielsweise zwecks Sitzplatzwechsel oder Toilettengang kurzzeitig aufstehen.


Anschnallpflicht für Schwangere
: Hat eine Schwangere ein ärztliches Attest, dass der Sicherheitsgurt dem ungeborenen Baby schaden könnte, ist sie von der Anschnallpflicht für den im Attest vermerkten Zeitraum entbunden. Doch ansonsten gilt: Auch für Schwangere gilt die Anschnallpflicht.

Anschnallpflicht für Kinder: Kinder sind nicht von der Gurtpflicht befreit. Zudem gilt bis zu einer Körpergröße von 150 cm oder einem Alter von 12 Jahren die Kindersitzpflicht. Ob das Kind im Kindersitz auf dem Beifahrersitz oder einem Rücksitz transportiert wird, ist den Eltern überlassen. In jedem Fall ist die Gebrauchsanweisung des Kindersitzes zu beachten und gegebenenfalls muss ein Airbag ausgeschaltet werden, um Erstickungsgefahr bei einem Unfall zu vermeiden.

Anschnallpflicht für Hunde/ Tiere: Die Anschnallpflicht gilt nicht für tierische Begleiter. Da sie per Gesetz als Ladung betrachtet werden, gelten für ihren Transport die Vorschriften der Ladungssicherung. Wichtig: Der Fahrzeugführer hat dafür Sorge zu tragen, dass die Ladung, in diesem Fall das Tier, vorschriftsmäßig gesichert ist. Wie sichert man tierische Begleiter im Auto richtig? Wir erklären es Ihnen im Beitrag.

Ausnahmen von der Anschnallpflicht gelten unter bestimmten Bedingungen (siehe § 21a StV0) und können auf Grundlage von Paragraf 46 StVO für einen begrenzten Zeitraum (beispielweise für die Dauer eines Polizeieinsatzes) genehmigt werden. Eine dauerhafte Gurtbefreiung ist auch möglich, hierfür ist jedoch neben einem Antrag auf Gurtbefreiung ein ärztliches Attest nötig. In jedem Fall gilt: Wenn Sie (für einen bestimmten Zeitraum) von der Gurtpflicht befreit sind, müssen Sie die entsprechende Ausnahmegenehmigung mit sich führen. Sonst gilt dies als Ordnungswidrigkeit.

Bußgelder: Anschnallpflicht missachtet

Nachfolgend eine Übersicht über die Bußgelder, wenn man selbst und/ oder Beifahrer nicht angeschnallt beziehungsweise im Fall von Kindern nicht gesichert ist:

Verstoß

Punkt/e im Fahreignungsregister

Bußgeld

Nicht angeschnallt während der Fahrt

0

30 €

Kind nicht angeschnallt mitgenommen

0

30 €

Mehrere Kinder nicht angeschnallt mitgenommen

0

35 €

Kind ohne Sicherung (ohne Gurt, ohne Kindersitz) mitgenommen

1

60 €

Mehrere Kinder ohne Sicherung (ohne Gurt, ohne Kindersitz) mitgenommen

1

70 €

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Anschnallpflicht auch im Fuhrpark

Heutzutage verfügen nahezu alle modernen Autos über eine Gurt- bzw. Sitzerkennung im Fahrzeug. Ein Gurtwarner löst einen Alarmton aus, sobald Fahrer oder Mitfahrer nicht angeschnallt auf ihren Plätzen sitzen. Um dennoch sicherzugehen, dass die Anschnallpflicht in Pool- und Dienstfahrzeugen eingehalten wird und die Mitarbeiter generell um ein sicherheitsgerechtes Verhalten wissen, sind Unterweisungen unumgänglich und sogar gesetzlich vorgeschrieben. Bei der Fahrerunterweisung nach Unfallverhütungsvorschrift (UVV) wird den Teilnehmern erklärt, worauf es ankommt, um ihre und die Sicherheit Dritter zu wahren. Die Unterweisung beinhaltet unter anderem folgende Themen: Lenk- und Fahrzeiten, Sicherheitsausstattung des Fahrzeugs, Ladungssicherung, Regeln des Straßenverkehrsgesetzes und Verhalten bei Unfällen.

Fahrerunterweisung nach UVV im Fuhrpark  Im Rahmen von Unfallverhütungs- und Arbeitssicherheitsmaßnahmen ist der  Arbeitgeber gesetzlich dazu verpflichtet, Mitarbeiter, die einen Dienstwagen  nutzen, zu unterweisen. Diese Fahrerunterweisung nach UVV muss mindestens  einmal im Jahr erfolgen. Mitarbeiter werden dabei im richtigen Umgang mit  Dienstfahrzeugen geschult.  Mit LapID können Sie die Fahrerunterweisung nach UVV einfach via E-Learning  durchführen und so Ihre Mitarbeiter orts- und zeitunabhängig unterweisen.Mehr  Informationen zur Fahrerunterweisung erhalten.

 

 


Kathrin Mikalay

Kathrin Mikalay


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