Nutzungsausfall & Nutzungsausfallentschädigung bei Betriebsfahrzeugen

Einer Ihrer Fahrer hatte einen Verkehrsunfall, das Firmenfahrzeug ist beschädigt und kann bzw. darf bis nach seiner Reparatur nicht länger am Straßenverkehr teilnehmen. Nun haben Sie als Halter Anspruch auf eine Nutzungsausfallentschädigung, also Schadenersatz, und müssen bis nach der Reparatur auf das Fahrzeug verzichten oder können ein Mietfahrzeug anmieten – oder? Wir betrachten die Thematik Nutzungsausfall bei gewerblich genutzten Fahrzeugen, denn nicht jeder Geschädigte hat ohne Weiteres und in jedem Fall Anspruch auf eine Nutzungsausfallentschädigung, weil eben nicht immer ein Nutzungsausfall vorliegt beziehungsweise vom Gericht anerkannt wird.

Was bedeutet „Nutzungsausfall“?

Ist ein Ereignis eingetreten, aufgrund dessen ein Gegenstand vorübergehend nicht genutzt werden kann, spricht man von einem Nutzungsausfall. Der durch den Nutzungsausfall Geschädigte kann eine Nutzungsausfallentschädigung (Schadenersatz) in Geld verlangen, da die Nutzbarkeit des Gegenstandes einem geldwerten Vermögensbestandteil entspricht. Weil dieser Bestandteil vorübergehend entfällt, entsteht ein ersatzpflichtiger Schaden.

Nehmen wir als Beispiel den unfallbedingten Nutzungsausfall eines Firmenfahrzeugs: Mietet der Geschädigte (Fahrzeughalter, in der Regel das Unternehmen) kein Ersatzfahrzeug an, kommt eine Nutzungsausfallentschädigung in Betracht.* Die Nutzungsausfallentschädigung ist eine von vielen Schadenspositionen.

*Hinweis: „In Betracht“, weil es bezüglich eines Nutzungsausfalls einige Bedingungen gibt, die erfüllt sein müssen. Hinzu kommt, dass die diesbezügliche Rechtsprechung sehr vielschichtig und teils uneins ist. Wir weisen darauf hin, dass wir nicht sämtliche Fälle in diesem Beitrag abbilden (können). Des Weiteren bitten wir um Verständnis dafür, dass wir keine Rechtsberatung anbieten dürfen und deshalb auch keine rechtlich verbindlichen Antworten geben können.

Die gegnerische Versicherung wird standesgemäß die Schadenpositionen, zu denen neben der Nutzungsausfallentschädigung unter anderem auch die Reparatur-, Abschlepp- und Mietwagenkosten zählen, prüfen. Wichtig ist, dass der Geschädigte weder Vor- noch Nachteile durch die Schadenregulierung hat – schon gar nicht darf er dadurch einen Gewinn erzielen. Wie man Schadenmanagement im Fuhrpark aktiv betreibt, haben wir in unserem Beitrag für Sie beschrieben.

Nutzungsausfall setzt Nutzungswillen voraus

Wie bereits definiert, entspricht die Nutzbarkeit eines Gegenstandes einem geldwerten Vermögensbestandteil. Ein Nutzungsausfall setzt somit grundsätzlich voraus, dass der Wille den durch einen Unfall beschädigten Gegenstand zu nutzen existiert. Ist der Nutzungswille nicht da, bedeutet das im Umkehrschluss, dass keine Vermögenseinbuße entsteht – also auch kein Anspruch auf Schadenersatz. Wenn Sie beispielsweise nicht vorhaben oder darauf angewiesen sind, das Fahrzeug weiterhin zu fahren oder jemanden, weil es sich um ein Pool- oder Dienstfahrzeug handelt, damit fahren zu lassen, erleiden Sie keine Vermögenseinbuße. Sind Sie hingegen auf den Wagen angewiesen und können ihn nach einem Unfall nicht nutzen, können Sie eine Nutzungsausfallentschädigung fordern.

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Liegt kein Nutzungsausfall vor, besteht kein Anspruch auf eine Nutzungsausfallentschädigung – oder?

Angenommen, Sie sind der Geschädigte und erhalten nach einem Unfall die Reparaturfreigabe durch die gegnerische Versicherung. Die Werkstatt braucht dieses Dokument, um mit der Reparatur des Fahrzeugs zu beginnen. Es bleibt jedoch Ihnen überlassen, ob sie das Fahrzeug tatsächlich zur Reparatur geben oder nicht. Lassen Sie das verunfallte Fahrzeug schließlich nicht reparieren, haben geringere Kosten für die Reparatur oder ersetzen das Unfallfahrzeug durch ein anderes Fahrzeug – das kann alles eintreten. Mittels einer fiktiven Abrechnung wollen Sie schließlich den Nutzungsausfall geltend machen – doch haben Sie Anspruch auf eine Entschädigung?

In einer fiktiven Abrechnung wird der potenzielle Schaden dargelegt, nicht der tatsächliche Schaden. Der potenzielle Schaden kann von einem Gutachter oder mittels eines Kostenvoranschlags von der Werkstatt skizziert werden.

Bei einer fiktiven Abrechnung besteht die Möglichkeit, dass der Geschädigte sein Fahrzeug nicht hat reparieren lassen – ihm ist also kein Nutzungsausfall entstanden. Oder der Nutzungsausfall war von kürzerer Dauer, weil das Unfallfahrzeug schneller als im Gutachten/ Kostenvoranschlag anvisiert Instand gesetzt werden konnte – entsprechend knapper würde die Nutzungsausfallentschädigung ausfallen. Steht dem Geschädigten der (gesamte) Nutzungsausfall in diesen Fällen zu? Man könnte meinen, um den (vollen) Nutzungsausfall geltend zu machen, muss ein Reparaturnachweis erbracht werden. Denn nur, wenn ein tatsächlicher Nutzungsausfall eingetreten ist und dieser nachgewiesen werden kann, besteht ein Anspruch auf eine Entschädigung - oder? Da sind sich die Gerichte uneins.

Nutzungsausfall mit fiktiver Abrechnung geltend gemacht: Gerichtsurteile

Im Jahr 2003 entschied der Bundesgerichtshof, dass eine Nutzungsausfallentschädigung ausschließlich für die im Gutachten genannte Reparaturdauer, welche der fiktiven Abrechnung zu Grunde liegt, geltend gemacht werden darf. Dieses Urteil wurde unter anderem jeweils vom Oberlandesgericht Hamm 2006 und vom Landgericht Saarbrücken konkretisiert. So urteilte das LG Saarbrücken, dass ausschließlich die objektiv erforderliche Dauer der Reparatur zu zahlen ist, hingegen keine Verzögerungen. Zwei Gerichte sprachen sich gegen einen Nutzungsausfall bei fiktiver Abrechnung aus: Das Oberlandesgericht Düsseldorf 2005 und das Amtsgericht München 2010. Entstand ein wirtschaftlicher Totalschaden, urteilte das Amtsgericht Frankfurt am Main 1996 für einen Nutzungsausfall für die Dauer der Wiederbeschaffung eines Fahrzeugs.

Nutzungsausfallentschädigung bei ausschließlich oder teilweise gewerblich genutzten Fahrzeugen: Gerichtsurteile

In diesen Fällen urteilten Gerichte gegen einen Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung:

Im Jahr 2014 entschied der Bundesgerichtshof gegen einen Nutzungsausfall bei einem gewerblich genutzten Fahrzeug (Urteil vom 21.01.2014, Az. VI ZR 366/13). Der Halter konnte in den Augen des Gerichts nicht ausreichend darlegen, dass er eine fühlbar wirtschaftliche Beeinträchtigung durch den Ausfall des Fahrzeugs hatte. So hatte der Fahrzeughalter zwar ein anderes eigenes Fahrzeug öfter genutzt und seine Planung entsprechend umgestellt, doch dies genügte dem Gericht nicht, um den Anspruch auf eine Nutzungsausfallentschädigung zu gewähren.

Mietet der Geschädigte hingegen einen Ersatz für das beschädigte Fahrzeug an und werden die Kosten für das Ersatzfahrzeug erstattet, steht ihm keine Nutzungsausfallentschädigung für das Firmenfahrzeug zu, da kein fühlbarer wirtschaftlicher Nachteil entstanden ist (BGH-Urteil vom 04.12.2007, Az. VI ZR 241/06).

Um einen Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung geltend zu machen, muss eine fühlbare wirtschaftliche Beeinträchtigung dargelegt werden. Existiert aufgrund des Vorhandenseins eines Fuhrparks, wo ohne Weiteres ein anderes Fahrzeug genutzt werden kann, keine solche Beeinträchtigung, besteht ein Anspruch auf Vorhalte- und Betriebskosten.


In diesen Fällen gewährten Gerichte den Anspruch auf eine Nutzungsausfallentschädigung:

Ein Anspruch auf Nutzungsausfall eines ausschließlich oder teilweise gewerblich genutzten Fahrzeugs steht dem Geschädigten hingegen zu, wenn er auf eine wesentlich kostenintensivere Anmietung eines Ersatzfahrzeugs verzichtet, urteilten das Oberlandesgericht Naumburg 2008 (Urteil vom 13.03.2008, Az. 1 U 44/07) und das OLG Hamm 1994 (Urteil vom 13.01.1994 (Az. 6 U 173/93). Das OLG Naumburg sah überdies keinen Grund, weshalb ein Nutzungsausfall bei einem gewerblich genutzten Fahrzeug anders zu behandeln ist als bei einem privat genutzten. Denn: Ein Unternehmer kann in manchen Fällen sogar weitaus abhängiger von der Verfügbarkeit eines Fahrzeugs sein als eine Privatperson.

Eine pauschale Nutzungsausfallentschädigung wird vom Oberlandesgericht Düsseldorf 2001 nicht prinzipiell ausgeschlossen (Urteil vom 02.04.2001 (Az. 1 U 132/00):

„Bei Fahrzeugen dieser Einsatzart schließt der Senat eine ‚abstrakte‘ (pauschale) Nutzungsentschädigung nicht prinzipiell aus, wobei es nicht darauf ankommt, wie hoch der private Nutzungsanteil ist. Auch ohne private Mitbenutzung kann bei Pkw/Kombi, die nur mittelbar der Gewinnerzielung dienen, deren Ausfall den betrieblichen Ablauf aber spürbar beeinträchtigt, ein Nutzungsausfall nach der Tabelle Sanden/Danner/Küppersbusch/Rädel/Splitter‘ zu ersetzen sein (…). Soweit andere Senate des hiesigen OLG eine ‚abstrakte‘ Nutzungsausfallentschädigung in Fällen gewerblicher‘ Nutzung abgelehnt haben, handelte es sich ganz überwiegend um Nutzfahrzeuge im eigentlichen Sinn. Ihr Nutzungszweck bestand darin, Gewinne einzufahren (NZV 1999, 472 – Lkw; VersR 1995, 1321 – Arbeitsmaschine). Im Streitfall liegen die Dinge anders. Eine pauschale Entschädigung wird nicht nur für private Kraftfahrzeuge gewährt. Diese Aussage des BGH von 1985 (NJW 1985, 2471) hat nach wie vor Gültigkeit.“

Das Oberlandesgericht München verlautete 2009 (Urteil vom 17.04.2009, Az. 10 U 5690/08), „[dass es einem] Geschädigten (…) grundsätzlich nicht verwehrt [ist], an Stelle des Verdienstentgangs eine Nutzungsentschädigung zu verlangen (…).“

Im Jahr 2007 tendierte der Bundesgerichtshof in einem Urteil dahin, dass, wenn Sie einen Verdienstentgang nicht konkret beziffern können, Sie eine pauschale Nutzungsausfallentschädigung verlangen können (Urteil vom 04.12.2007, Az. VI ZR  241/06).

Fazit

Es gibt keine „Musterlösung“, wann ein Nutzungsausfall anerkannt wird und der Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung geltend gemacht werden darf, da sich die Gerichte bundesweit nicht einig sind. Es kommt auf die Details und eben den Einzelfall an. Sie bekommen eine Nutzungsausfallentschädigung in Geld in der Regel für einen Zeitraum von zwei Wochen ab dem Zeitpunkt des Unfalls und sollten Ihr Fahrzeug zeitnah reparieren lassen. Im Internet finden Sie diverse Rechenbeispiele zur Berechnung eines Nutzungsausfalls. Hierbei kommt es unter anderem auf die sogenannte Nutzungsentschädigungsgruppe Ihres Fahrzeugs, den täglichen Nutzwert und die Vorhaltekosten an. Die Berechnung erfolgt auf Basis der Nutzungsausfalltabelle von Sander/Danner/Küppersbusch/Seifert/Kuhn (1966). Sie wird bis heute aktuell gehalten und vom Bundesgerichtshof als anwendbar anerkannt. Ebenfalls im Internet finden sich Musterbriefe zur Nutzungsausfallentschädigung, die jedoch unverbindlich sind.

Sollten Sie an dem Unfall Mitschuld haben, ist fraglich, ob es besser ist, einen Mietwagen zu nehmen oder die Nutzungsausfallentschädigung zu verlangen: Mieten Sie ein Ersatzfahrzeug an, müssen Sie die Kosten zum Teil selbst tragen. Machen Sie jedoch eine Nutzungsausfallentschädigung geltend, wird lediglich um den Schuldteil gekürzt und Sie müssen selbst keine Zusatzkosten aufnehmen – erhalten jedoch weniger Geld aufgrund Ihrer Mitschuld.

Eine anwaltliche Beratung ist, insbesondere im Fuhrparkwesen, ratsam.

 

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Kathrin Mikalay

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