30 Jahre Carsharing - Interview mit Uwe Latsch

Ein Auto nur dann zu nutzen, wenn es wirklich gebraucht wird, es dann irgendwo im Stadtgebiet wieder abzustellen und so mit anderen zu teilen: Was nach einer modernen, umweltfreundlichen Idee klingt, gibt es bereits viel länger als einige vielleicht denken. Denn Carsharing ist keine Erfindung des 21. Jahrhunderts, sondern feierte bereits seinen 30. Geburtstag. Heutzutage nutzen über 2 Millionen Menschen Carsharing, doch angefangen hat alles ganz klein. Um dem Ursprung des Carsharings und seiner, vor allem auch technischen, Entwicklung auf den Grund zu gehen, haben wir den vielleicht wichtigsten Vorreiter auf dem Gebiet zum Gespräch gebeten: Uwe Latsch ist CTO bei der INVERS GmbH und gilt mit seinen Entwicklungen als Mitbegründer des Carsharings.

Das vollständige Interview mit Uwe Latsch gibt es als Podcast-Folge am Ende des Beitrags. 

Der Erfinder des modernen Carsharings

Was heute für uns quasi selbstverständlich ist, befand sich 1989 noch in den Kinderschuhen: Man kann sich richtig vorstellen, wie irgendwo in einer Garage im Siegerland ein junger Student an einem System tüftelte, wie damals Bill Gates mit Microsoft, wie er und seine Freunde am besten den großen Berg zur Uni bezwingen können… So oder so ähnlich könnte die Geschichte des Mannes angefangen haben, der als Mitbegründer des Carsharings gilt: Uwe Latsch. Wir freuen uns, dass er uns im Interview Rede und Antwort zum Thema Carsharing und der Entwicklung des heute beliebtesten Systems am Markt steht.

Wirft man einen Blick in die Vergangenheit, fragt man sich, wie Carsharing zu diesem Zeitpunkt überhaupt möglich war. In Berlin war STATTAUTO mit sieben Fahrzeugen an drei Standorten Deutschlands größter Carsharing-Anbieter. Ein Auto zu buchen ging nicht spontan über eine Smartphone-App, sondern via Festnetz. Man rief teilweise Tage vorher beim Carsharing-Anbieter an, um sich ein Fahrzeug zu reservieren – ähnlich wie heute manchmal noch bei einer Autovermietung. Ohne eine kostenpflichtige Mitgliedschaft konnte man sich kein Fahrzeug ausleihen beziehungsweise eines teilen. Sieht man sich den Buchungsprozess heute an, ist er deutlich spontaner, schlanker und läuft über das mobile Internet - und das alles dank einer Erfindung aus dem Siegerland, die dazu beigetragen hat, das Carsharing aus dem Mobilitätsangebot nicht mehr wegzudenken ist.

 „Manche sagen, ich bin der Erfinder des modernen Carsharings. 1992 habe ich an der Uni Siegen zusammen mit ein paar Studenten den ersten Carsharing-Bordcomputer und die erste Carsharing-Software entwickelt, wodurch das Carsharing mit automatisiert und auch skalierbar wurde. Daraus ist dann die INVERS GmbH entstanden, die heute der Weltmarktführer für Carsharing und andere Shared-Mobility-Technologien ist.“ (ab Minute 00:45

Heute ist die Zahl der Carsharing-Fahrzeuge und -Nutzer im Vergleich zu 1989 deutlich gestiegen. Die Zahlen einer aktuellen Studie des Bundesverbandes Carsharing sprechen für sich:

Entwicklung Carsharing in Deutschland 1999-2019 Quelle: BCS

Die Grafik zeigt, dass Anfang dieses Jahres 2,46 Millionen Menschen in Deutschland Kunden bei einem Carsharing-Anbieter waren. Im Vergleich zum Vorjahr sind 2019 bereits 350.000 Nutzer mehr angemeldet. Vor allem stationsbasierte Carsharing-Angebote sind stark gewachsen. Sie verzeichnen einen Anstieg von 21,5 Prozent.

Diese Entwicklung war vor etwa 20 Jahren noch nicht abzusehen, doch kam es aufgrund der damals bereits hohen Nachfrage, genauer gesagt 1997, zur Gründung der INVERS GmbH. Seither entwickelt Uwe Latsch mit einem stetig wachsenden Team Carsharing-Soft und -Hardware. INVERS ist weltweiter Marktführer für Carsharing-Technologie – über 30 Millionen Fahrten werden jährlich mit dem Shared Mobility OS gemacht.

Woher kommt die elektronische Führerscheinkontrolle?

Mit der Einführung des modernen Carsharing war es noch nicht vorbei mit neuen Technologien aus dem Siegerland. Nicht nur Privatpersonen, auch Firmenfuhrparks entdeckten Carsharing beziehungsweise die damit verbundenen technischen Möglichkeiten und daraus resultierenden Benefits, wie die Auslastungsoptimierung, für sich. Mit der Erweiterung der Zielgruppe auf Firmenfuhrparks rückte ein weiteres Thema in den Fokus von Uwe Latsch. So kam es, dass neben den bereits vorhandenen Lösungen der Bedarf einer automatisierten Führerscheinkontrolle unter den Fuhrparkmanagern wuchs. Diese ist verpflichtend, wie uns Rechtsanwalt Lutz D. Fischer in „Warum muss eine Führerscheinkontrolle im Fuhrpark erfolgen? bereits darlegt. Folglich entwickelte Uwe Latsch ein RFID-Siegel, damit die Führerscheine der Dienstwagenfahrer regelmäßig automatisiert kontrolliert werden konnten. Für Poolnutzer war es durch das Siegel bereits möglich, damit ein Firmenfahrzeug zu öffnen. Um die Führerscheinkontrolle auch unabhängig vom Firmenstandort zu ermöglichen, wurde ein mittlerweile deutschlandweites Prüfstationennetz etabliert.
„Die Fokusreporter hatten damals nicht verstanden, was das eigentlich bedeutet, was wir an der Uni vorgestellt haben. Sie dachten, das wäre eine elektronische Wegfahrsperre. Wegfahrsperren gab es zu der Zeit auch noch nicht. Die Autos hatten nur einen ganz normalen Blechschlüssel. Wegfahrsperren wurden erst 1994 oder 1995 Pflicht. Gut, aus Versehen haben wir dann die Wegfahrsperre erfunden – das größte, profitabelste Versehen war das LapID System für die Führerscheinkontrolle, was heute bei sehr vielen Fuhrparks bei Dienstwagen zur Führerscheinkontrolle eingesetzt wird." (ab Minute 12:15

Fun Facts

  • Die erfundene Pkw-Diebstahlsicherung sollte eigentlich als elektronisches Fahrtenbuch genutzt werden.
  • Der Firmenname LapID steht für „Lappenidentifikation“.

#FridaysForFuture, #micromobility und #autonomesFahren

Welche Gedanken gehen einem jungen Studenten durch den Kopf, wenn er sich mit dem Thema Mobilität beschäftigt? Ein Grund war und ist es sicherlich, die Umwelt zu schützen, denn auch vor 30 Jahren sind Waldsterben, saurer Regen und Smog bereits große Themen gewesen. Der motorisierte Individualverkehr sollte hierfür so effizient und am liebsten so wenig wie möglich stattfinden. Ohne den Umweltgedanken nämlich hätte Uwe Latsch damals keinen Bordcomputer erfunden:

„Die Kunst dabei ist, die Leute zu überzeugen, dass sie ihr eigenes Auto abschaffen. Es bringt nichts, wenn jemand ein eigenes Auto hat und damit die Straßen in Wohngebieten blockiert, stattdessen mit einem Free-floating-Carsharing-Auto fährt, weil er damit besser einen Parkplatz findet. Das Thema Fahrradfahren ist nach wie vor für mich der größte und beste Verkehrsentlaster für die Städte. Zudem ist es sehr viel förderlicher für die Umwelt und für die Gesundheit. Umwelt ist natürlich noch mehr als nur Mobilität – es gibt heute auch wieder die Fridays-for-Future-Demos, die sich das Thema Umwelt auf die Fahnen geschrieben haben. Vielleicht kommen auch daraus wieder in Zukunft tolle neue Ideen – ohne den Umweltgedanken damals hätte ich mir auch einfach ein Auto gekauft, statt einen Bordcomputer für Carsharing zu entwickeln. Eine Demo hilft etwas, aber es muss auch persönlich gehandelt werden.“ (ab Minute 16:20)

Vom Carsharing zu Lösungen der Micromobility: Gerade für kurze Strecken muss es nicht immer das Auto sein, daher haben sich über die Jahre alternative Mobilitätslösungen etabliert, mit denen man problemlos Kurzstrecken von zwei bis drei Kilometer zurücklegen kann und die auch in Zukunft sicher noch weiterwachsen werden. So sind in den Großstädten zurzeit Elektro-Vespas populär. Zudem stehen Kick-Scooter bereits in den Startlöchern und warten nur noch auf die Zulassung für deutsche Straßen. Was und wen kann man mit dieser Mikromobilität erreichen? Und wie wird sich das autonome Fahren auf das Carsharing auswirken? Fragen, die auch Uwe Latsch beschäftigen, uns jedoch erst die Zukunft beantworten kann.

„Mittlerweile gibt es Betreiber, die sharen Wohnmobile und Lkws. Was in Deutschland noch nicht zugelassen ist, aber was demnächst kommen wird, sind Kick-Scooter. Das fällt unter das Stichwort Micromobility - also wie bewege ich mich auf den letzten eins, zwei, drei Kilometern in der Stadt. Wobei man auch da sagen muss, Laufen sollte auch nicht vergessen werden.“ (ab Minute 20:20)

Über Uwe Latsch und INVERS

Uwe Latsch INVERS

Uwe Latsch ist Gründer und technischer Geschäftsführer der INVERS GmbH. Unzufrieden mit der lästigen Übergabe von Autoschlüsseln bei geteilten Fahrzeugen, entwickelte er 1993 das erste automatisierte Carsharing-System weltweit und gilt damit als technologischer Vorreiter im Bereich Shared Mobility. Überzeugt von seiner Idee, gründete er noch im selben Jahr INVERS. 2012 übergab er die strategische Geschäftsführung an Alexander Kirn, welcher das Unternehmen bis heute als CEO leitet. Uwe Latsch fokussiert sich in seiner Position als technischer Geschäftsführer auf die technologische Weiterentwicklung des Produktportfolios. 2006 gründete er die LapID Service GmbH, den führenden Anbieter für Compliance-Lösungen für Fuhrparks. Uwe Latsch studierte Elektrotechnik mit Schwerpunkt Nachrichtenübermittlung an der Universität Siegen. Er hält verschiedene Patente im Bereich Carsharing und elektronische Führerscheinkontrolle.

INVERS ist ein Pionier im Bereich Shared Mobility und Weltmarktführer für Mobilitätstechnologie, der mit dem Shared Mobility OS jährlich mehr als 30 Millionen Fahrten ermöglicht. Die Saas- und IoT-basierten Produkte Von INVERS haben bereits mehr als 250 neue Mobilitätsangebote in mehr als 30 Ländern möglich gemacht. Darunter Carsharing in Dubai, Scooter Sharing in Berlin, Ride Pooling in Hamburg und Peer-to-peer-Carsharing in Paris. Shared Mobility OS ist eine modulare End-to-End-Lösung, um neue Mobilitätsservices zu launchen, zu betreiben und zu skalieren. Die umfassende End-to-End-Lösung setzt sich modular aus den Teilen Telematik, Device Management, Buchungssoftware und White-Label User App zusammen. Bereits mehr als die Hälfte der geteilten Scooter in Europa und Nordamerika nutzen diese Technologie. INVERS Hauptstandort befindet sich in Siegen (Deutschland) mit Niederlassungen in Köln (Deutschland) und Vancouver (Kanada). Weitere Informationen erhalten Sie unter www.invers.com

   Bilder: INVERS GmbH


Wenn Sie sich nun fragen, wie die diversen Entwicklungen und Hintergründe zu den „Erfindungen aus Versehen“ aussehen, gibt es hier das vollständige Interview zum Nachhören:

 

 
Ich möchte mehr Informationen zu LapID

 


Kathrin Mikalay

Kathrin Mikalay


Lesezeit

Durchschnittliche Lesezeit: 4 min

Dauer Podcast: 25 min


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