Tempolimit auf Autobahnen in Deutschland: Pro und Contra

Deutschland gehört zu einem der wenigen Ländern auf der Welt, wo es kein grundsätzliches Tempolimit gibt. Doch wie lange noch? Seit Jahren fordern Befürworter von Tempolimits, dass diese übergreifend für ganz Deutschland gelten. Aktuelle Umfragen zeigen zudem, dass auch die Mehrheit der Deutschen für eine Begrenzung der erlaubten Geschwindigkeit auf deutschen Autobahnen ist. Doch warum polarisiert das Thema so sehr? Wir schauen uns das Pro und Contra eines generellen Tempolimits auf Autobahnen in Deutschland an und verschaffen einen Überblick über den aktuellen Stand der Diskussion.

Inhaltsverzeichnis:

Tempolimits in Deutschland: Grundsätzliche Regelung

Dafür werden deutsche Autofahrer häufig beneidet: So schnell fahren, wie man möchte - zumindest dann, wenn keine zulässige Höchstgeschwindigkeit vorgegeben wird. Auf circa 18.000 km Autobahnstrecke in Deutschland gibt es kein Tempolimit (Quelle: Bundesanstalt für Straßenwesen). Das macht etwa 70 Prozent des gesamten Autobahnnetzes aus. Auf allen Autobahnen in Deutschland gibt es aber die sogenannte Richtgeschwindigkeit von 130 km/h. Sie dient als Empfehlung, jedoch nicht als Pflicht, weshalb das Überschreiten der Richtgeschwindigkeit nicht geahndet wird. Ausgeschilderte Geschwindigkeitsbegrenzungen haben jedoch immer Vorrang gegenüber der Richtgeschwindigkeit.

Die Geschwindigkeit generell auf deutschen Straßen wird in Paragraf 3 der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) geregelt. Darin heißt es, in Absatz 1:

„(1) Wer ein Fahrzeug führt, darf nur so schnell fahren, dass das Fahrzeug ständig beherrscht wird. Die Geschwindigkeit ist insbesondere den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen sowie den persönlichen Fähigkeiten und den Eigenschaften von Fahrzeug und Ladung anzupassen. Beträgt die Sichtweite durch Nebel, Schneefall oder Regen weniger als 50 m, darf nicht schneller als 50 km/h gefahren werden, wenn nicht eine geringere Geschwindigkeit geboten ist. […]“

Grundsätzlich richtet sich die mögliche zu fahrende Geschwindigkeit also nach den individuellen Fähigkeiten (das Fahrzeug muss „ständig beherrscht“ werden) und den vorherrschenden Rahmenbedingungen.

Absatz 3 regelt zudem die zulässigen Höchstgeschwindigkeiten innerorts (max. 50 km/h) und außerhalb geschlossener Ortschaften (je nach Fahrzeug 60-100 km/h). Für Auto- und Motorradfahrer auf Autobahnen gilt die Geschwindigkeitsbeschränkung jedoch nicht, wie in Abs. 3.2. c) geschildert:

„Diese Geschwindigkeitsbeschränkung gilt nicht auf Autobahnen (Zeichen 330.1) sowie auf anderen Straßen mit Fahrbahnen für eine Richtung, die durch Mittelstreifen oder sonstige bauliche Einrichtungen getrennt sind. […]“

Gekennzeichnet wird die zulässige Höchstgeschwindigkeit durch das Verkehrszeichen 274, die Aufhebung der Geschwindigkeit durch das Verkehrszeichen 278.

Sie möchten sicherstellen, dass Ihr Fuhrpark alle gesetzlichen Anforderungen  erfüllt und Sie arbeitsschutzrechtlich im Unternehmen abgesichert sind? Nutzen  Sie die Chance, Ihre Prozesse rechtssicher und digital zu gestalten und  vereinbaren Sie jetzt Ihr persönliches Beratungsgespräch.

Diskussion um Tempolimits

Stand der Meinungen 2019/2020 

Zahlreiche Befürworter von Tempolimits fordern immer wieder, dass diese endlich in Deutschland umgesetzt werden. Anfang 2019 hat beispielsweise auch die evangelische Kirche eine entsprechende Petition gestartet. Sie fordern ein Tempolimit von 130 km/h. Nach über 65.000 gesammelten Unterschriften hat es die Petition in den Bundestag geschafft. Während das Thema in den vergangenen Jahren meist im Sande verlaufen war, nimmt es, angesichts der anhaltenden Diskussionen rund um den Klimaschutz, wieder Fahrt auf. Denn auch Umweltverbände und Die Grünen sprechen sich immer wieder für Tempolimits aus. Im Falle einer Regierungsbeteiligung nach der Bundestagswahl 2021 möchten sie eine Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen von 130 km/h durchsetzen. Der Klimaschutz scheint auch nochmal die Aufmerksamkeit der Gesellschaft für das Thema gestärkt zu haben.

Während sich in bisherigen Umfragen meist nur eine knappe Mehrheit der Deutschen für Tempolimits ausgesprochen hat, zeigt eine 2019 durchgeführte Forsa-Umfrage, dass sich mittlerweile 57 Prozent für generelle Höchstgeschwindigkeiten auf Autobahnen wünschen und befürworten eine Beschränkung auf 136 km/h. Die aktuelle Regierung aus CDU/CSU und SPD sprechen sich mehrheitlich gegen Tempolimits aus, allen voran der aktuelle Verkehrsminister Andreas Scheuer. Zuletzt heizte der ADAC die Diskussionen um Tempolimits wieder an. Der Automobilclub ist bis vor kurzem strikt gegen ein Tempolimit gewesen. In einer im Januar 2020 veröffentlichen Mitteilung hingegen ruderte der ADAC zurück. Im aktuellen Beitrag zu Tempolimits heißt es nun: „Angesichts der polarisierenden Wirkung des Themas – auch unter den Club Mitgliedern – verzichtet der ADAC derzeit auf eine Empfehlung Pro oder Contra generelleres Tempolimit an die Politik.“ Der größte Verkehrsclub Deutschlands fordert zudem „eine Versachlichung der Debatte“.

Das Thema polarisiert jedoch nicht nur die ADAC-Mitglieder auch innerhalb anderer Organisationen und Parteien ist die Findung eines gemeinsamen Konsens komplex. Grünen-Politiker Dieter Janecek stieß an, eine Ausnahmeregelung für Elektrofahrzeuge und klimafreundliche Fortbewegungsmittel festzulegen. Diese sollen demnach vom Tempolimit ausgeschlossen sein. Die Aussagen sorgten in der eigenen Partei für Irritationen. Die CSU hingegen mobilisiert weiter gegen ein generelles Tempolimit. Vor kurzem starteten sie eine neue Kampagne unter dem Motto „Tempolimit? NEIN Danke!“ Doch welche Argumente sprechen für und welche gegen Tempolimits? Wir betrachten beide Positionen genauer.

Im Februar 2020 gab es zum Thema Tempolimit eine Abstimmung im Bundesrat. Der Vorschlag des Umweltausschusses, die Höchstgeschwindigkeit auf deutschen Autobahnen auf 130 km/h zu begrenzen, hat bei der Abstimmung keine Mehrheit gefunden und ist somit abgelehnt worden. Es soll jedoch eine Studie zur Geschwindigkeitsbegrenzung beauftragt werden, so zumindest aktuelle Überlegungen im Verkehrsministerium. In der Studie soll der Vergleich des autonomen Fahrens im Gegensatz zum konventionellen Autofahren im Fokus stehen und nicht die Frage, ob und wie viel CO2 durch ein Tempolimit eingespart oder wie viele Unfälle vermieden werden könnten. Ein (Hinter-) Grund ist, dass die hohen Geschwindigkeitsunterschiede auf deutschen Autobahnen das autonome Fahren erschweren.

Stand rund ums Tempolimit Ende 2021

Die Parteien Bündnis 90/ Die Grünen und die SPD sind für ein generelles Tempolimit, CDU/ CSU und FDP sind dagegen. Bei den Koalitionsverhandlungen im Herbst 2021 zwischen Bündnis 90/ Die Grünen, SPD und FPD konnte letztere Partei sich durchsetzen, weshalb es unter der jetzigen Ampel-Regierung kein Tempolimit in Deutschland geben wird. 

Tempolimit 2022 - Aktueller Stand

Auch im Jahr 2022 reißt die Diskussion um ein Tempolimit nicht ab. Eigentlich schien es, dass sich die Gegner eines Tempolimits auch innerhalb der Ampelregierung durchgesetzt haben. In der aktuellen Situation und um sich vom Ölimport aus Russland zu lösen, werden die Stimmen um ein Tempolimit von 130 km/h auf Autobahnen wieder lauter. Zuletzt hatte sich Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang für die Geschwindigkeitsbegrenzung zur Reduzierung des Ölverbrauchs ausgesprochen. Eine vorübergehende Herabsetzung der Geschwindigkeitsbegrenzung auf 100 km/h auf Autobahnen und 80 km/h auf Landstraßen könnte nach einer Einschätzung von Greenpeace bereits rund 2,5 Prozent Ölimporte pro Jahr einsparen. Der amtierende Verkehrsminister Volker Wissing, von der FDP, hält den Aufwand dafür zu groß, allein schon weil es an ausreichend Verkehrsschildern fehle. Insbesondere dann, wenn diese nur für ein vorübergehendes Tempolimit auf- und abgebaut werden müssten, verriet er in einem Interview mit der Hamburger Morgenpost. Die FDP vertritt auch nach wie vor den Standpunkt, dass das Thema emotional und spaltend sei und hält an ihrem Nein beim Tempolimit fest. 

Pro Tempolimits

Das wohl wichtigste Argument für Tempolimits ist die Rettung von Menschenleben. Noch immer zählen überhöhte Geschwindigkeit und Raserei zu den häufigsten Unfallursachen. Das ist auch das größte Problem an Paragraf 3 StVO und der Selbsteinschätzung der Fahrer. So manch einer verliert, je höher die Geschwindigkeit ist, die Kontrolle über sich oder das Fahrzeug, weshalb ein „ständiges Beherrschen“ des Fahrzeugs nicht mehr gewährleistet ist (vgl. VOD e.V. 2019, S. 5). Im Jahr 2018 sind 3.265 Menschen bei Verkehrsunfällen ums Leben gekommen. Auch wenn die Zahl der tödlich Verunglückten auf Autobahnen in den letzten Jahrzenten tendenziell gesunken ist, könnte ein generelles Tempolimit dafür sorgen, dass es noch weniger Verkehrstote gibt.

1992 lag die Zahl der tödlich Verunglückten bei einem Verkehrsunfall auf Autobahnen noch bei 1.201 Personen. Bis 2016 sank die Zahl auf 393 Personen. Im Jahr 2017 starben 409 Personen auf Autobahnen. Die Zahl stieg folglich im Vergleich zum Vorjahr 2016.

Neben den Auswirkungen von zu hoher Geschwindigkeit führen Befürworter von Tempolimits auch immer die hohe Belastung der Umwelt durch zu schnelles Fahren an. Die evangelische Kirche zieht für ihre Petition eine Information des Umwelt Bundesamts heran, wonach bei einem unveränderten Geschwindigkeitsverhalten (seit 1996) ein Tempolimit 120 km/h die CO2-Emissionen der Pkw auf rund drei Millionen Tonnen senken könnte. Ähnliche Zahlen nennt auch das Handbuch für Emissionsfaktoren (HBEFA), wonach bei einem Tempolimit von 130 km/h rund zwei Millionen Tonnen pro Jahr eingespart werden könnten. Die Angaben zur CO2-Einsparungen sind jedoch umstritten. Die Erhebung des Umweltbundesamtes erfolgte Mitte der 90er-Jahre. Seitdem ist eine neue Erhebung nicht bekannt. 

Positive Effekte eines Tempolimits könnten zudem ein gleichmäßiger Verkehrsfluss und weniger Staus sein. Häufige Spurwechsel, weil man andere Verkehrsteilnehmer, die sich an der Richtgeschwindigkeit von 130 km/h orientieren, überholen möchte, könnten vermieden werden. Abgesehen davon, geben laut einer Statista-Umfrage rund 50 % der Befragten an, dass sie auf Abschnitten ohne zulässige Höchstgeschwindigkeit ohnehin höchstens 150 km/h schnell fahren (Statista 2019).

Die evangelische Kirche sieht zudem das Lärmaufkommen und den Reifenabrieb durch Tempolimits minimiert. Auch der psychologische Effekt eines „stressfreieren“ Autofahrens durch geringere Geschwindigkeiten wird betont.

Contra Tempolimits

Einen Angriff auf die Freiheit – so bezeichnen viele Gegner von Tempolimits den Vorstoß für generelle Höchstgeschwindigkeiten in Deutschland. Auch Verkehrsminister Andreas Scheuer sieht dies als Einschränkung und stellt den vermeintlich hohen Beitrag zum Klimaschutz durch Tempolimits in Frage:

„Die Zukunft der Mobilität liegt nicht in Einschränkungen – und ein generelles Tempolimit ist eine Einschränkung. Auch zum Klimaschutz würde Tempo 130 auf Autobahnen nur geringfügig beitragen.“ (Verkehrsminister Andreas Scheuer im Interview mit dem Hamburger Abendblatt)

Bestes Beispiel für eine Einschränkung stellen derzeit die Diesel-Fahrverbote dar. Auch sie sollen in Großstädten zu CO2-Einsparungen beitragen. Dafür werden etliche Dieselfahrer aus den Innenstädten verbannt. Eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung spricht sich mittlerweile gegen Diesel-Fahrverbote aus. Möglicherweise auch, weil die freien Bürger nicht mehr mit solchen Einschränkungen leben wollen.

Zwar kann ein Tempolimit auf Autobahnen die Zahl der Unfälle senken, jedoch passiert der Großteil der tödlichen Unfälle auf Landstraßen, die bereits mit einer Begrenzung ausgestattet sind. Zudem lässt sich laut ADAC „keine höhere Unfallschwere“ im Vergleich zu anderen Ländern, wie Österreich, Belgien oder den USA, feststellen, in denen bereits Tempolimits existieren. Nicht ohne Grund gelten deutsche Straßen also als verhältnismäßig sicher und Autobahnen wiederum zu den sichersten Straßen in Deutschland. Auch die Einsparung von CO2-Emissionen relativiert der ADAC. Die zwei Millionen Tonnen pro Jahr, die das Handbuch für Emissionsfaktoren als Einsparungspotenzial sieht, machen nur rund zwei Prozent der CO2-Emissionen des Pkw-Verkehrs aus.

Ein weiteres, häufig angeführtes Argument gegen generelle Geschwindigkeitsbegrenzungen ist, dass die Geschwindigkeit auf dem Großteil der Straßen in Deutschland bereits limitiert ist. Betrachtet man nur das Autobahnnetz, stimmt diese Aussage nicht. Dort sind rund 70% der gesamten Autobahnstrecke unlimitiert. Bezogen auf das ganze Straßennetz in Deutschland hingegen machen diese unlimitierten Abschnitte allerdings gerade einmal knapp drei Prozent aus.

Auch die Verringerung der Lärmbelästigung wird von den Gegnern des Tempolimits schnell entkräftet, da der meiste Lärm von Lkw ausgeht, die auf Autobahnen bereits einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h unterliegen. Auch ob Geschwindigkeitsbegrenzungen tatsächlich einen positiven Effekt auf den Verkehrsfluss haben, ist fraglich. Innerorts gibt es zulässige Höchstgeschwindigkeiten und dennoch kommt es fast täglich zu langen Staus und Unfällen.

Ein Tempolimit auf Autobahnen kann zudem auch psychologische Auswirkungen haben. Wenn etwas verboten ist, ist der Reiz umso größer, dies auszuprobieren. Um Rasern folglich den Zahn zu ziehen, müssten noch mehr Verkehrskontrollen durchgeführt und die Strafen, so wie in den Nachbarländern, deutlich angehoben werden.

Dienstwagenfahrer von SUV und Co. lehnen Tempolimit ab

Fahrer von höherklassigen Dienstwagen lehnen ein Tempolimit von 130 km/h mehrheitlich ab, das ergab eine durchgeführte anonymisierte Analyse und Befragung von 5.000 Fahrern durch Vimcar und Civey. Die durchschnittliche Geschwindigkeit deutscher Dienstwagenfahrer liegt allerdings deutlich unter dem diskutierten Tempolimit. Nach Angaben von Vimcar beträgt die durchschnittliche Geschwindigkeit bei 85 Prozent aller zurückgelegten Strecken von Dienstwagen maximal 70 Kilometer pro Stunde. 69 Prozent der Firmenwagennutzer fahren gemäß Analyse lediglich einmal im Monat schneller als 130 km/h.

Fazit

Generelle Tempolimits auf deutschen Autobahnen können zur Verringerung von Unfällen und somit zu weniger Verkehrstoten beitragen. Die Auswirkungen auf das Klima bleiben allerdings fragwürdig. Dennoch befürwortet etwas mehr als die Hälfte der Deutschen Tempolimits von rund 130 km/h – die meisten von ihnen fahren sowieso nicht viel schneller. Die andere Hälfte sieht die eigene Freiheit und den Fahrspaß gefährdet. Aber steht das im Verhältnis zu Menschenleben? Andererseits steht Deutschland im Ländervergleich nicht schlechter dar als Staaten, die bereits allgemeine Tempolimits haben. Ist der Effekt also groß genug oder überwiegt doch die Symbolkraft eines möglichen Verbotes? Was halten Sie von generellen Tempolimits in Deutschland, richtig oder völlig überzogen?

 

Ich möchte mehr Informationen zu LapID

 

 


Anna Lena Otto

Anna Lena Otto


Lesezeit

Durchschnittliche Lesezeit: 6 min


Mehr Raum für das Wesentliche  Digitalisieren Sie Ihre Complicance-Aufgaben mit dem Marktführer. Dabei stehen  wir Ihnen ab dem ersten Tag mit unserer persönlichen Beratung zur Seite. Kontaktieren Sie uns


Im Blog suchen



    Sie haben Themenwünsche?



    Kommentare zu diesem Beitrag: